J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Das österreichische Mineral des Jahres ist ein Massenrohstoff

Februar 2024

Auf das Mineral des Jahres 2024 kann die Menschheit nicht mehr verzichten. Magnesit ist Ausgangsstoff für hochfeuerfeste Materialen, die überall dort zum Einsatz kommen, wo Öfen und Wannen in industriellen Brenn- und Schmelzprozessen hohen Temperaturen über 1.200 °C standhalten müssen. Ohne Magnesit könnten Stahl, Zement und Glas nicht im großen Maßstab gewonnen werden. So werden für die Herstellung eines Autos immerhin rund zehn Kilo, für die Fertigung eines Flugzeuges rund 1,1 Tonnen Feuerfestprodukte benötigt.

Magnesit ist ein häufiges Mineral. In reinem Zustand besteht es aus 28,83 Prozent Magnesium, 14,25 Prozent Kohlenstoff und 56,93 Prozent Sauerstoff. Es ist also ein Magnesiumkarbonat. Allerdings bildet Magnesit eine lückenlose Mischreihe mit dem Eisenkarbonat Siderit, wobei das Magnesium teilweise durch Eisen ersetzt wird. Je nach Eisengehalt werden die Mischglieder mit eigenen Mineralnamen belegt. In den Lagerstätten aber ist Magnesit oft mit anderen Mineralen vermengt. Das heute nicht mehr abbauwürdige Vorkommen Sunk bei Hohentauern in der Obersteiermark ist berühmt für sein Mineralgemenge aus Magnesit, Dolomit und Graphit. In den vom Graphit schwarz gefärbten Dolomit sind große weiße Magnesitkörner eingelagert. Weil diese an Pinienkerne erinnern, kam das Gestein unter dem Namen Pinolit als Dekor- und Schmuckstein in den Handel.
Dolomit ist das wichtigste Ausgangsmaterial, wenn es um die Entstehung fast aller österreichischen Lagerstätten geht. Wahrscheinlich schon vor der Auffaltung der Alpen wurden in der vorausgehenden variszischen Gebirgsbildung manche Kalke und Dolomite des Erdaltertums durch magnesiumreiche Fluide umgewandelt. Bei den Fluiden handelt es sich um überheißes Porenwasser, das unter so hohem Druck steht, dass es nicht mehr ordnungsgemäß verdampfen kann. Die Grenzen zwischen Gas und Flüssigkeit verschwinden, und die beiden Ag­gregatzustände lassen sich nicht mehr unterscheiden. Solche Fluide verhalten sich chemisch sehr aggressiv: Sie zersetzen Gesteine und reichern sich mit den gelösten Stoffen an. Andernorts sorgen diese mitgeführten Stoffe für die Umwandlung anderer Gesteine. Woher das Magnesium der Fluide kam, wird widersprüchlich diskutiert. Während es manche aus dem (Begleit-)Gestein selbst beziehen wollen, nehmen andere eine Herkunft aus Umwandlungsprozessen in größerer Tiefe an. Egal, welches Modell man bevorzugt: Für Chemiker sind die Rechnereien und Modellierungen der Mineralogen schlichtweg nicht nachvollziehbar. Sie denken in geschlossenen Systemen, zu denen nichts zugeführt, aus denen nichts abgeführt werden kann. Dass in der Mineralogie gelöste Stoffe von irgendwo kommen und andere ins Ungewisse verschwinden, lässt sich mit ihrer Denkweise kaum vereinbaren.
Und ja, Österreich ist reich an Magnesit-Lagerstätten. Auch wenn einige von ihnen heute nicht mehr rentabel abgebaut werden können, gehört Österreich – neben der Slowakei und Spanien – zu den Hauptproduzenten von Magnesit in Europa. Die Lagerstätte Breitenau in der Steiermark ist gar einer der größten untertägigen Magnesitbergbaue der Welt. Im globalen Vergleich liegt Österreich – so das Bundesministerium für Finanzen – bei der Weltproduktion an fünfter Stelle. Der größte Produzent ist – wie nicht anders zu erwarten – China, gefolgt von Brasilien. Betrachtet man aber die internationalen Konzerne, so liegt Österreich an erster Stelle. Die aus dem Zusammenschluss des österreichischen Unternehmens RHI mit Stammwerk in Radenthein (Millstätter Alpe, Kärnten) mit dem brasilianischen Konkurrenten Magnesita entstandene RHI Magnesita GmbH mit Sitz in Wien gilt als Weltmarktführer im Feuerfestbereich.
Um Magnesit in der Feuerfestindustrie nutzen zu können, muss er gebrannt werden. Bei Temperaturen bis etwa 1800 °C wird der Kohlenstoff-Anteil aus dem Mineral ausgetrieben, und es entsteht kristallines Magnesiumoxid. Sintermagnesit-Ziegel werden nicht nur zur Auskleidung von Hochöfen verwendet – ihr Schmelzpunkt liegt mit über 2.800° C weit über den in den Hochöfen erzielten Temperaturen. Sie sind auch gute Wärmespeicher und kommen daher unter anderem in Nachtspeicherheizungen und Elektrokaminen zum Einsatz. Wird Magnesit bei niedrigeren Temperaturen gebrannt, so ändern sich seine Eigenschaften und damit die Anwendungsbereiche – bis hin zum Bindemittel in der Bau­stoffindustrie und als Futtermittelzusatz.
Ungebrannter Magnesit hingegen wird gänzlich anders vermarktet. Um ihn als Schmuckstein verwenden zu können, ist er eigentlich zu weich. Dennoch wird wasserklarer Magnesit manchmal gleich einem Brillanten geschliffen – um dann kratzsicher verwahrt als Besonderheit in einer „Edelstein“-Sammlung zu liegen. Häufiger wird er chemisch bearbeitet: Er nimmt sowohl Farbstoffe als auch Kunstharze gut an. Wird er blau gefärbt und mit Kunstharz vor dem Zerkratzen geschützt, kommt er (manchmal unter der Phantasiebezeichnung „Turkenit“) als Imitation von Türkis in den Handel. Aber auch sämtliche anderen Farbtöne sind möglich. Ob gefärbt oder nicht: Die Esoterik schreibt dem Magnesit die unterschiedlichsten – und selbstverständlich zum Teil auch widersprüchliche – Wirkungen zu. Welchen Anteil aber der künstliche Farbstoff und das Kunstharz im „Türkis Magnesit“ am vermeintlichen Einfluss auf den menschlichen Körper haben, wird aus gutem Grund verschwiegen.

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