Raphaela Stefandl

Zehn Jahre lang Schweiz-Korrespondentin des ORF, seit Oktober 2021 freie Journalistin und Medientrainerin, langjährige Moderatorin und Sendungsverantwortliche von „Vorarlberg-Heute“, Redakteurin mit Schwerpunkt politische Berichterstattung. Foto: Alexander Roschanek

Here comes the Sun

Februar 2024

Sonnenhaus 2.0 nennt sich ein Projekt in Göfis. Es ist ein Haus, in dem angewandte Forschung in Sachen Photovoltaik im Wohnbau betrieben und nach den Grenzen gesucht wird. Der Eigentümer und sein Partner, die ZM3 Immobiliengesellschaft mbH., Standort- und Projektentwicklung, Feldkirch, sammeln Daten, die auch künftigen Planungen zur Verfügung stehen.

Göfis, mitten im Grünen. Ein neues Haus, das heraussticht. Zunächst wegen der teilweise grünen Fassade, die sich beim genaueren Hinschauen als Zellen einer Photovoltaik-Anlage herausstellt. Eine senkrechte PV-Anlage an den Mauern, auf dem Dach zusätzlich die üblichen Paneele – ost-west ausgerichtet. So erzielt man den höchsten Wirkungsgrad. Horst Zimmermann nennt es das Sonnenhaus 2.0.
„Die PV-Paneele haben 40 Kilowatt peak Leistung, das ist schon ganz ordentlich für ein Zweifamilienhaus“, erzählt Hausbesitzer Horst Zimmermann. Zudem wurde ein Batteriespeicher eingebaut mit 240 Kilowattstunden. Er speichert den Überschuss an Strom, der nicht aktuell im Haus benötigt wird.
PV-Anlagen auf dem Dach und an der Fassade, eine Sole-Wasser-Wärmepumpe, eine Erdsonde für Heizung und Kühlung sowie ein ausgeklügeltes Energiemanagement System sollen für höchste Energieeffizienz sorgen. Das ist das Energie-Gerüst der Zukunft für Horst Zimmermann. „Gerade die Kühlung mit Sonnenstrom wird in Zukunft immer wichtiger werden, im Sommer schafft die Anlage schon mit einer Absenkung von ein paar Graden eine wirklich angenehme Temperatur im Haus. Und das Beste ist: Im Sommer erzeugt die Sonne sowieso genügend Strom.“
Das Haus in Göfis ist also autark? Kann es ganz ohne Zukauf weiterer Energie auskommen? „Keineswegs“, sagt Horst Zimmermann. „Wir erzeugten zwar im vergangenen Jahr 30.200 Kilowattstunden Strom und dennoch mussten wir für das Zweifamilienhaus im Winter rund 9000 Kilowattstunden Strom zukaufen. Wenn sich die Sonne versteckt, geht die Stromproduktion drastisch zurück und in der Nacht gibt es auch keine Produktion. Trotzdem brauchen die Elektrogeräte im Haus Strom.“
Im ersten vollen Betriebsjahr des Sonnenhauses 2.0 von April 2022 bis April 2023 gelang ein durchschnittlicher Autarkie-Grad von 54 Prozent. „Das ist schon ganz gut“, zeigt sich Zimmermann optimistisch. Überschüssiger Strom landete im 2800 Liter großen thermischen Speicher und ab 2022 bei der OeMAG.
Mit Sonnenstrom kennt sich Horst Zimmermann bestens aus. Während der „Ölkrise“ in den 1970er-Jahren entschied sich der Gründungsgesellschafter der ZIMA-Wohnbau für Sonnenenergie und für eine Wärmepumpe, die Arnold Feuerstein, Dorfinstallateur, damals selbst konzipierte.
„Wir waren ganz schön mutig, es war Aufbruchsstimmung“, erinnert sich Zimmermann. „Wir wussten nicht, ob das alles funktionieren wird.“ 1977 erhielten die beiden für das visionäre Projekt den Staatspreis für Energieforschung. Zimmermann realisierte in seiner aktiven Zeit eine Reihe von alternativen Energiesystemen in Wohn- und Geschäftsbauprojekten. Das absolute Herzeige-Projekt war die Wohnform Rankweil. In Zusammenarbeit mit der Vogewosi wurde die erste Wärmekraft-Koppelung-Anlage in Vorarlberg in Betrieb genommen.
„Die Photovoltaik-Technologie hat sich enorm weiterentwickelt. Deshalb will ich es nochmals wissen, wo aktuell die Grenzen der Energie-Autarkie liegen“, erzählt Horst Zimmermann. „Gemeinsam im Team loten wir das Machbare aus.“ Arnold und Samuel Feuerstein vom Dorfinstallateur sind dabei, auch Michael Metzler von der ZM3 Immobiliengruppe und das Technologieunternehmen e.battery systems.
Eines der Herzstücke im Sonnenhaus 2.0 ist der Second-
Life-Energiespeicher. Seit September 2023 steht er zur Verfügung. Alle Daten werden erfasst, sie sollen dem Team wertvolle Erkenntnisse für Wohn- und Gewerbebauten bringen. Mit dem Energiespeicher soll der Sonnenstrom künftig noch besser verteilt und der Jahresautarkie-Grad im Idealfall auf bis zu 75 Prozent erhöht werden.

e.battery systems AG
Der Speicher stammt von e.battery systems AG in Wolfurt. Der Metallkasten ist bestückt mit gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien von Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen, die Steuerung übernimmt ein Softwareprogramm. Durch die Wiederverwendung der Batterien wird deren Lebensdauer um etwa zehn Jahre verlängert, heißt es beim Wolfurter Unternehmen; das bringt eine Kostenersparnis von 30 Prozent im Vergleich zu neuen Batterien. Die modularen Speicher beginnen bei einer Kapazität von 240 Kilowattstunden und einer Leistung von 67,5 Kilowatt.
Im Zimmermann-Haus steht die kleinste Variante des Energiespeichers in einem 19-Zoll-Serverschrank. „Die Anlage ist für das Zweifamilienhaus etwas überdimensioniert“, räumt Horst Zimmermann ein. „Wir betreiben aber echte Pionierarbeit und wollen die Grenzen des derzeit Machbaren ausloten.“ Neben der Optimierung des Eigenverbrauchs dient der Energiespeicher zur Lastspitzenkappung, unterstützt die E-Auto-Ladeinfrastruktur und sichert ab gegen Stromausfälle und Blackouts.
Welche sonstigen Erkenntnisse gibt der innovative Hausbesitzer an Interessierte weiter? Die Erfahrung habe gezeigt, dass Wandpaneele und Dachpaneele unterschiedlich effizient sind. „Im Winter, wenn der Strombedarf am größten ist, sind die senkrechten Wandpaneele durchwegs besser in der Stromproduktion als die Dachpaneele“, erklärt der leidenschaftliche Fachmann. „Diese Erkenntnisse sind besonders interessant für Objekte in höheren Lagen. Bei den Wand-Paneelen hast du keinen Schnee, der die Stromproduktion stört und somit ist der Wirkungsgrad optimal.“
Dem Eigentümer macht das Projekt sichtlich Spaß, wie sein lächelnder Blick auf das Daten-Display seines Tablets zeigt. Hier informiert er sich laufend, wie viel Strom erzeugt und wie viel verbraucht wird. „Ein tolles Gefühl!“

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