Wort und Haltung

Der Bundespräsident sah sich dieser Tage gezwungen, diversen Politikern das parlamentarische Einmaleins beizubringen und sie daran zu erinnern, dass es auch einen politischen Anstand gebe. Die Feststellung mag den einen oder anderen Politiker verwundert haben, nicht aber die Bürger. Laut einer Umfrage zweifeln 91 Prozent der Österreicher am Anstand in der Politik, auch weil zwischen dem, was viele Politiker sein wollen und tatsächlich sind, Welten liegen. Es ist in der Tat ein neuer politischer Stil, der Einzug gehalten hat, es ist nur nicht der Stil, der versprochen worden war. In seinem „Sohn des Jahrhunderts“ schreibt Antonio Scurati mit Bezug zur Politik: „Viel zu selten gibt es Männer, für die das Wort ergreifen und Haltung bewahren ein und dasselbe sind.“ Die Opposition? Zerstört oder diskreditiert sich selbst. Und die Türkisgrünen muss man nur daran erinnern, was sie selbst noch im Regierungsprogramm schwadroniert hatten: „Das Trennende hintanstellen, ist auch eine Chance für das politische Klima: für mehr Vertrauen in die Politik und in die demokratischen Institutionen.“ Hat einwandfrei funktioniert. Die Grünen hatten vor der Wahl gefragt: „Wen würde der Anstand wählen?“. Heute können wir antworten: Er wäre ratlos, der Anstand.