Christine Rhomberg

Vorstandsvorsitzende Montagsforum

Demut?!

März 2016

Vor Kurzem beklagte jemand im Freundeskreis den Mangel an Demut in unserer Gesellschaft. Sofort waren alle wach, die Diskussion belebte sich augenblicklich. Manche in der Runde waren irritiert vom Begriff der Demut. Sie bezeichneten ihn als unzeitgemäß, als nicht alltagstauglich. Andere fanden, der Begriff sei schlicht lächerlich, wieder anderen war er zu religiös konnotiert, und manche blieben einfach still. Bei aller Irritation: Diskutiert und nachgedacht wurde intensiv.

Tatsächlich scheint Demut als Begriff weitgehend aus unserem Sprachschatz verschwunden zu sein. Aber nicht nur das – der Begriff passt offenbar auch nicht mehr in unser Denken und Handeln. Wenn man im Internet, das schlicht auf alles eine Antwort weiß, nach einer Begriffsdefinition sucht, so findet man Folgendes: Demut ist die Bereitschaft, etwas als Gegebenheit hinzunehmen, nicht darüber zu klagen und sich selbst als eher unwichtig zu betrachten. Eine andere, sehr prägnante Definition formulierte Wolfgang Thierse, ehemaliger Präsident des Deutschen Bundestags, in einem Interview zum Thema: Demut ist „eine tiefere Einsicht in die Fehlbarkeit der eigenen Person“. Fehlbarkeit – ich denke, das ist es, was keinen Platz in unserem Dasein hat. In einer Gesellschaft, in der alles nach vermeintlicher Perfektion strebt, in der nur zählt, wer besser, schneller, erfolgreicher ist, hat Fehlbarkeit keinen Platz. Fehlbarkeit einzugestehen heißt oft, gescheitert zu sein. Und Scheitern ist nicht „in“.

Dabei stünde uns etwas mehr Demut ganz gut zu Gesicht. Demut vor der Freiheit, in der wir leben dürfen, um zu erkennen, wie wertvoll sie ist. Demut vor unserem Wohlstand, um das Teilen leichter zu machen. Demut vor dem Fremden, um mehr Toleranz zuzulassen. Oder für die, die Mühe mit dem Begriff „Demut“ haben: einfach ein bisschen weniger Ich – und ein bisschen mehr die anderen.