Peter Fischer

pensionierter Gymnasiallehrer und Lehrer*innenausbildner 

Die österreichische Bildungsepidemie

April 2021

Pandemie-bedingt zeigt sich der grassierende Virus im Bildungssystem mehr denn je. Die von Wirtschaft, Eltern, Schüler*innen, Pädagog*innen und nicht zuletzt von vielen Bildungswissenschaftler*innen seit Jahrzehnten geforderten Reformen in unserem verkrusteten Bildungssystem finden einfach nicht statt, wenn, dann nur kosmetisch.
Unser Schulsystem wird von zwei grundsätzlichen Übeln beherrscht. Die viel zu frühe Trennung der Kinder in der 4. Klasse Volksschule in Gymnasium- und Mittelschul-Reife ist pädagogisch und sozial völlig sinnlos, weil in diesem Alter kaum Lebenslaufbahnprognosen möglich sind. Die Segregation ist hauptsächlich von der Sozioökonomie und vom Bildungsstand der Eltern abhängig. Ein öffentliches Schulsystem muss vom Gesetz her allen Kindern und Jugendlichen, unabhängig von Herkunft, Ethnie und Religion, gleiche Bildungschancen ermöglichen.
Der Run aufs Gymnasium liegt nicht an der besseren Pädagogik an den Gymnasien. Der Hauptgrund liegt für mich im besseren Renommee des Gymnasiums. Das ist im höchsten Maße ungerecht, denn die Volks- und Mittelschullehrer*innen sind durch die Unterschiedlichkeit ihrer Schüler*innen bei Weitem mehr gefordert als Gymnasiallehrer*innen. Das nicht sehr aussagekräftige Ziffernnotensystem ist das nächste, kaum hinterfragte Übel. Dieses ist der erste Auslöser des Segregationsdilemmas, das durch die Pandemie-bedingten Umstände noch mehr zu einer Beurteilungslotterie verkommen ist.
Die Sequenzierung des Bildungsvirus‘ führt mich zur sozialen Segregations­ideologie von türkis-schwarzen Politiker*innen, die seit jeher das Schulsystem dominiert. Leider gibt es dagegen keine Impfung. Deshalb sind die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Langzeitschäden unermesslich.