Benno Elbs

Diözesanbischof

Kapitalismuskritik des Papstes?

Mai 2015

Wir müssen heute ein Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen sagen. Diese Wirtschaft tötet.“ Ungewohnt scharfe Töne findet Papst Franziskus in seinem Schreiben „Evangelii gaudium“ für die Ungerechtigkeit auf unserer Welt. Es greift zu kurz, die Äußerung des Papstes nur als Kapitalismuskritik abzutun – die man ihm auf dem Hintergrund von Unrechtserfahrungen in Lateinamerika vielleicht noch zugesteht.

Der Papst sagt ein klares „Nein zur neuen Vergötterung des Geldes“, „Nein zu einem Geld, das regiert, statt zu dienen“ und „Nein zur sozialen Ungleichheit, die Gewalt hervorbringt“. Und noch konkreter: „Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte an der Börse Schlagzeilen macht.“

Was hat das mit der „Freude des Evangeliums“ zu tun, Freude, die man angeblich bei den „Armen“ in den Ländern des Südens weit häufiger antreffen kann als in den reichen Ländern des Nordens? Wir dürfen uns herausfordern lassen, wenn der Papst quer zu unserem Wohlstand denkt. Und auch wir als Kirche haben noch vieles zu lernen, sind oft noch weit davon entfernt, als „arme Kirche für die Armen“ zu leben, wie dies Papst Franziskus wünscht.

Ich weiß keine einfache, fertige Lösung. Aber wir können Zeichen der Hoffnung dagegen setzen. Global gerechtere ökologische und soziale Spielregeln können damit beginnen, das ungute Gefühl auszuhalten, dass wir in der nördlichen Hemisphäre zu den materiell Bevorzugten gehören; dass wir uns von globalen Schreckensnachrichten anrühren lassen; dass wir immer öfter fair hergestellte Produkte einkaufen; dass wir nicht wegschauen, wenn ein Bettler uns anblickt.