Hubert Schatz

Wildökologe Land Vorarlberg

Leben mit dem Wolf?

November 2020

Der Wolf gilt in der Wildökologie als eine Schlüsselart, die trotz ihrer geringen Populationsdichte einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Vielfalt der Lebensgemeinschaften ausüben kann. Die jüngsten Nachweise von einzelnen Wolfsindividuen sowohl aus der Alpenpopulation als auch aus der nördlichen Tieflandpopulation in Vorarlberg zeigen, dass der Wolf weiter im Vormarsch ist. Um Probleme mit „Isegrim“ in unserer ausgeprägten Kulturlandschaft möglichst gering zu halten, braucht es eine breite Informationsschiene. Wo möglich und sinnvoll sind entsprechende Schutzmaßnahmen, wie Zäunungen und Behirtung und allenfalls der Einsatz von Herdenschutzhunden zu ergreifen. Außerdem braucht es neben einer Aus- und Weiterbildung der Tierhalter auch Fördermaßnahmen und eine unbürokratische und schnelle Entschädigung für gerissene Tiere. Es kann aber auch notwendig werden, „Problemwölfe“, die sich im unmittelbaren Lebensbereich des Menschen aufhalten oder trotz Schutzmaßnahmen immer wieder Nutztiere reißen, gezielt zu vergrämen und wenn notwendig auch zu entnehmen. Das Land Vorarlberg hat mit dem „Aktionsplan Wolf“ bereits frühzeitig begonnen, entsprechende Grundlagen zu schaffen. Die rasante Zunahme der europäischen Wolfspopulationen in den vergangenen zehn Jahren erfordert eine Neubewertung der Ausgangssituation sowie des Schutzstatus des Wolfes auf der Europa- bzw. Populationsebene. Aus meiner persönlichen Sicht könnte Vorarlberg eine wichtige Korridorfunktion für den genetischen Austausch zwischen den verschiedenen Wolfspopulationen erfüllen. Für eine fixe Ansiedelung von Wölfen mit Bildung von Rudeln ist bei uns vor allem wegen fehlender Rückzugsgebiete und der überaus hohen Konfliktträchtigkeit in unserer vielbeanspruchten Kulturlandschaft jedoch kein Lebensraum vorhanden.