Der Begriff der „Normalität“ als politisches Deutungskriterium im Sinne einer Bewertung, beziehungsweise mehr einer Abwertung anderer, beschäftigt mich nun schon seit längerer Zeit mit zunehmendem Unwohlsein. Bin ich nun anormal, wenn ich diesem ideologisch eingefärbten Kriterium von Normalität nicht entspreche? Die Antwort muss dann wohl ein klares „Ja“ sein. Muss ich dann den Preis der Ausgrenzung bezahlen? Bin ich dann nicht mehr Teil dieser „normalen“ Gemeinschaft?
An dieser Stelle beruhigt mich dann aber wieder die Aussage von Richard von Weizsäcker, der sagt, „es ist normal, verschieden zu sein. Es gibt keine Norm für das Menschsein.“ Also ist Verschiedenheit das Kriterium für die Normalität einer Gesellschaft. Das gefällt mir und ich fühle mich wieder aufgenommen.
In der Natur bedeutet Normalität das Vorkommen und die verlässliche Abfolge von Regelmäßigem und Unregelmäßigem, von Gewohntem und Ungewohntem. Das ist das Erfolgsrezept der Evolution. Somit benötigt also eine gelingende Weiterentwicklung unserer Gesellschaft den selbstverständlichen und respektvollen Umgang mit der Verschiedenartigkeit. Da fällt mir auch gleich der Begriff eines würdigen Umgangs miteinander ein. Also ist es normal, die Würde jedes Menschen zu achten. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ steht ja auch im Artikel 1 des Grundgesetzes. Dies ist die Leitlinie des zwischenmenschlichen Zusammenlebens und soll in einer Zeit mit großen Unsicherheiten auch im Sinne des gesellschaftlichen Klimas zu Respekt, Solidarität und Mitmenschlichkeit auffordern und der Normalität entsprechen.
Ein guter Mensch zu sein ist somit normal.
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