Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Die Kohlers aus Kohler

Dezember 2015

Wenn in den USA sogar eine Gemeinde nach dem Bregenzerwälder Auswanderer Johann Michael Kohler und dessen Familie benannt wurde, ist das Ausdruck für die Bedeutung, die die Firma Kohler in der Region am Michigan-See über viele Jahre hinweg erlangen konnte. Bis heute werden dort hochwertige Produkte im Sanitär­bereich, aber auch Möbel, Motoren und Generatoren produziert. Die Kohler Company ist bis heute im Familienbesitz und hat weltweit Niederlassungen, in denen derzeit etwa 32.000 Mitarbeiter beschäftigt sind.

Meinrad Pichler hat in seinem Buch „Auswanderer von Vorarlberg in die USA von 1800–1938“ der Familie ein Kapitel gewidmet. Das war damals für die Vorarlberger Landesbibliothek ein willkommener Anlass, Publikationen zu beschaffen, die das bewegte Schicksal der Familie Kohler illustrieren.

Johann Michael Kohler, aus Schnepfau im Bregenzerwald stammend, kam 1854 als Zehnjähriger mit seiner Familie als Auswanderer – heute würde man Wirtschaftsflüchtling sagen – nach New York. 1870 heiratete Kohler in Sheboygan am Michigan-See und begann seine industrielle Tätigkeit mit der Herstellung von Beschlägen und Metallteilen. Als Kohler im Jahr 1900 starb, zählte seine Firma in ihrer Branche bereits zu den größten der USA. Seine Nachfahren führen bis heute die Firma weiter und bauten schon in den 1920er-Jahren eine Modellstadt namens „Kohler Village“, die der architektonische Ausdruck eines kooperativen Zusammenlebens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sein sollte.

1934 und insbesondere 1954 wurde die Harmonie empfindlich gestört, da mit Hilfe der amerikanischen Metallarbeitergewerkschaft ein Kollektivvertrag auch bei Kohler durchgesetzt werden sollte. Die patriarchalischen Eigentümer waren zutiefst enttäuscht, dass Arbeiter offen gegen das Unternehmen Stellung bezogen. Der lange andauernde Arbeitskampf 1934 war von großer Brutalität gekennzeichnet; so wurde gegen die Arbeiter auch Tränengas eingesetzt und später sogar scharf geschossen, wobei zwei Männer getötet und weitere 43 verletzt wurden.

Im Jahr 1954 flammte der Arbeitskonflikt bei Kohler ein weiteres Mal heftig auf. Auch die dritte Generation der Familie Kohler widersetzte sich regulären Lohnverhandlungen; auch ein Vermittlungsversuch von Präsident Eisenhower konnte keine Einigung herbeiführen, da die Positionen der beiden Seiten nicht gegensätzlicher hätten sein können:

Auf der einen Seite die Gewerkschaften, die in einer Broschüre von 1955 ihre Positionen plakativ darstellen. Die streikenden Arbeiter präsentieren sich da­rin als gute, ehrliche und gläubige Menschen, die lediglich ihr Recht geltend machen wollen, gleiche Arbeitsbedingungen und vergleichbare Löhne wie in anderen Industriebetrieben einzufordern.

Auf der anderen Seite die Familie Kohler, die über viele Jahre hinweg in Kohler Village versucht hatte, ein Modell einer lebenswerten industrialisierten Stadt zu realisieren. Ziel war die ideale Einheit von Produktion und Wohn-, Bildungs- sowie Freizeiteinrichtungen für die Arbeiter. Die Familie Kohler setzte aber immer nur auf freiwillige Leistungen für die Arbeiter und verabscheute gewerkschaftliche Strukturen zutiefst. Die beiden Streiks machten die Kohler Company in den USA zu einem Symbol für fehlende sozialpartnerschaftliche Beziehungen.

Kohler Village ist heute auch ein Magnet für Golfspieler, da sich hier einer der  schönsten Golfplätze der USA befindet, wo auch internationale Turniere abgehalten werden. Daran angeschlossen findet sich auch der „American Club“, heute ein Luxushotel, 1918 erbaut als Zentrum für unverheiratete Männer. In dieser Einrichtung sollten mangelnde Englischkenntnisse aufgebessert und damit die Integration beschleunigt werden.

Am 15. November 2015 traten übrigens die Kohler-Arbeiter erstmals seit 1983 wieder in Streik, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

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