Hanno Lorenz

Ökonom

(Foto: © Katharina Rossboth)

Jung, älter, arbeitslos?

September 2015

Wie die Chancen von älteren Arbeitnehmern am österreichischen Arbeitsmarkt verbessert werden können, ohne dadurch die Jungen in die Arbeitslosigkeit zu treiben.

Die neueste Studie der Agenda Austria zeigt, wie Ältere länger in Beschäftigung gehalten werden können, ohne die Jungen in die Arbeitslosigkeit zu treiben.

Ältere Arbeitnehmer haben es in Österreich schwer, nach einer Pause oder einer Kündigung einen neuen Job zu finden. Darüber herrscht unter den verschiedenen Interessengruppen und Parteien weitgehend Einigkeit. Umstritten ist, welche Ursachen dahinterstecken: Wie kann es sein, dass etwa 70 Prozent aller Schweden und etwa 60 Prozent der Deutschen zwischen 55 und 64 Jahren einen Job haben, während es in Österreich nur gut 40 Prozent sind?

Kurz vorab: Der Lohn richtet sich dort mehr nach der Leistung als nach dem Alter, die Frühpension ist finanziell unattraktiv und der Staat belohnt Arbeitgeber, die sich um gute Bedingungen für ihre Mitarbeiter kümmern. Wie wir in unserer Studie „Jung, älter, arbeitslos?“ nachweisen, steigt durch eine höhere Beschäftigung Älterer die Arbeitslosigkeit bei den Jungen nicht. Die landläufige Meinung, wonach der länger arbeitende Opa dem Enkel den Job wegnimmt, ist eine Legende. Bester Beweis dafür ist nicht zuletzt Österreich.

Obwohl deutlich mehr Ältere arbeiten als noch Anfang der 2000er-Jahre, hat sich die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich praktisch nicht verändert. Mehr noch: Detaillierte Untersuchungen mehrerer Länder mit einem ähnlichen Arbeitsmarkt wie Österreich zeigen in der Studie, dass hohe Beschäftigung bei den Älteren für mehr Kaufkraft und mehr Nachfrage sorgt – woraus auch mehr Jobs für Jüngere entstehen.

Um eine für alle Altersgruppen befriedigende Entwicklung am Arbeitsmarkt zu ermöglichen, müssen jene Fallen entschärft werden, die älteren Arbeitnehmern in Österreich gestellt werden. Dazu gehören die hohen Lohnkosten, die gegen Ende des Erwerbslebens auf ihren Höhepunkt zusteuern – eine Entwicklung, die in anderen Ländern nicht zu beobachten ist, wie ein Vergleich der Löhne von 55- bis 59-Jährigen mit jenen der 25- bis 29-Jährigen zeigt. Im EU-Durchschnitt verdient jemand im Alter von 55 bis 59 Jahren um 35 Prozent mehr (brutto) als 25- bis 29-Jährige. In Österreich beträgt der Mehrverdienst aber 58 Prozent. (Die Niederlande gleichen den Lohnnachteil mit anderen Maßnahmen aus.)

In Deutschland und Schweden ist nicht nur der Unterschied zwischen den Gehältern von Jüngeren und Älteren geringer. Auch das Pensionssystem ist der Beschäftigung Älterer zuträglich, weil länger arbeiten finanziell attraktiv bzw. die Frühpension unattraktiv ist. In den Niederlanden wiederum gibt es ein Bündel an Maßnahmen: Zum Beispiel erhalten Arbeitnehmer zwischen 62 und 67 Jahren einen Steuerbonus. Und Branchen, in denen es viele Fälle an Invaliditätspensionen gibt, werden dafür stärker zur Kasse gebeten. Weswegen sie besonders auf gute Arbeitsbedingungen achten.

Handlungsempfehlungen für die Regierung und die Sozialpartner

  • Leistungs- statt Senioritätsprinzip in der Entlohnung
    Arbeitnehmer sollten bereits in jüngeren Jahren gemäß der erbrachten Leistung entlohnt werden. In späteren Jahren sollte bei sinkender oder stagnierender Leistungsfähigkeit das Gehalt entsprechend angepasst werden dürfen. Der Druck, ältere (teurere) Mitarbeiter abzubauen, schwächt sich dadurch ab und Neuanstellungen werden attraktiver.
  • Höheren Kündigungsschutz für Ältere lockern
    Kündigungsschutz wird bei Neueinstellungen für Ältere oft zur unüberwindbaren Hürde. Wer Arbeitsverhältnisse auflösen kann, wird Neuanstellungen vornehmen.
  • Pensionssystem sollte steigende Lebenserwartung berücksichtigen
    Koppelung der Pensionshöhe an die Lebenserwartung: automatisch angepasste Pensionsauszahlungen, die von geleisteten Gesamtzahlungen und erwarteter Bezugsdauer abhängen.
  • Experience Rating
    Aufteilung der Invaliditätsbeiträge in einen fixen und einen sektorspezifischen Anteil. Betriebe mit vielen Invaliditätsfällen sollten höhere Beiträge zahlen.

Die komplette Studie finden Sie unter
www.agenda-austria.at/inhalte/publikationen

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