Thomas Pichler

*1969, ist gebürtiger Südtiroler. Seine berufliche Laufbahn begann er 1988 als Inbetriebnahmetechniker und Projektleiter bei der Agamatic GmbH. 2002 vereinten die drei Unternehmen Agamatic, Hölzl und Doppelmayr in Italien ihre Kräfte: Doppelmayr Italia wurde gegründet. Thomas Pichler war bis 2015 dort Vertriebsleiter und stellvertretender Geschäftsführer. 2015 wurde er zum Geschäftsführer der Doppelmayr Seilbahnen GmbH in Wolfurt ernannt, 2019 übernahm er gemeinsam mit István Szalai zudem die Funktion als Geschäftsführender Direktor der Doppelmayr Holding SE.

„Und Neues zu wagen“

März 2023

Doppelmayr-CEO Thomas Pichler, 54, im Interview über den Weltmarktführer aus Wolfurt, Kundenwünsche als Antrieb für Innovation – und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, „das größte Kapital eines Unternehmens“.

Herr Pichler, wie wurde Doppelmayr zum Weltmarktführer?
Doppelmayr wurde im Jahr 1893 von Konrad Doppelmayr gegründet. Seit damals haben sich das Unternehmen und die Technologie stetig weiterentwickelt. Vom ersten Skilift in Zürs am Arlberg, über die ersten Aufträge in Übersee – genauer gesagt in Kanada – hat Doppelmayr die Seilbahnbranche international mitgestaltet. Auch das Produktangebot wurde entsprechend der Kundenanforderungen kontinuierlich erweitert. Vom Schlepplift über Sessellifte und Gondelbahnen bis hin zu den großen 3S-Bahnen. Heute ist die Doppelmayr Gruppe jener Seilbahnhersteller, der sämtliche am Markt verfügbaren Seilbahnsysteme im Portfolio hat, um für jedes Projekt die beste Lösung umsetzen zu können. Ein wichtiger Meilenstein für die Weltmarktführerschaft war die Fusion mit Garaventa im Jahr 2002. Garaventa ist führender Hersteller von Spezialbahnen, das sind Pendelbahnen und Standseilbahnen und im Schweizer Markt führend. Diese Verbindung hat der Unternehmensgruppe auf allen Ebenen einen Vorsprung verschafft.

Apropos Vorsprung. In einem Interview mit der „Presse“ sagten Sie zuletzt, es gebe zwei große Bewerber auf dem Weltmarkt, der Abstand sei kleiner geworden.
Die italienische HTI-Gruppe ist unser größter Mitbewerber am internationalen Seilbahnmarkt. Zur Unternehmensgruppe gehören die Seilbahn-Marken Leitner, Poma und Bartholet. Letztere wurde erst kürzlich, im März 2022, von der HTI-Gruppe übernommen. Dadurch verschiebt sich der Weltmarktanteil entsprechend. In verschiedenen Ländern, wie China, Indien oder den USA gibt es lokale Hersteller, die weitestgehend aber nur den lokalen Markt bedienen und am Weltmarkt keine große Relevanz haben. 

Und wie schwierig ist es, Weltmarktführer zu bleiben, sprich den Vorsprung zu halten?
Einer der wichtigsten Faktoren sind die Mitarbeiter, die mit Engagement und Professionalität ihrer Arbeit nachgehen. Pioniergeist, Produkt- und Technologiekompetenz sowie Problemlösungs- und Beratungskompetenz lassen sich vom Technischen Büro über die Montageabteilung bis hin zum Kundendienst verfolgen. Als zweite unverzichtbare Größe sind unsere Kunden zu nennen. Mit ihrem Mut zu Neuem, ihrem Vertrauen in unsere Fähigkeiten und Produkte können wir uns erst weiterentwickeln. Es sind immer die neuen Herausforderungen, die uns zu Höchstleistungen anspornen und die uns motivieren, weiter zu denken und Neues zu wagen. Die Kundenwünsche, mit denen wir uns täglich beschäftigen, sind der Antrieb für Innovation und den Fortschritt der Technologie. Und dann sind da noch unsere Partner, die wir sorgfältig auswählen und auf die wir uns immer zu 100 Prozent verlassen können. So entstehen Synergien, man profitiert voneinander, Know-how wird ausgetauscht und so können neue Wege beschritten werden. Ohne sie wäre der Erfolg nicht möglich.

Wie stellt man sicher, am Puls der Zeit zu sein? 
In unserer Branche heißt das zum Beispiel, sehr nahe am Kunden zu sein und das Ohr am Markt zu haben. Wir versuchen, Trends schon früh zu erkennen, um einen Schritt voraus zu sein. Deshalb sind wir auch in einem sehr engen Dialog bei den Kunden, denn wir lernen aus ihren Erfahrungen und können so unsere Produkte entsprechend weiterentwickeln und optimieren. Gleichzeitig heißt es aber auch, neue Technologien zu identifizieren, die für die Seilbahnbranche Vorteile bringen können. So entstehen auch neue Produkte, wie beispielsweise unsere Ressort Management Software „clair“, die den Seilbahnmitarbeitern und Betreibern erheblichen Nutzen bringt. Sie vereint nicht nur die Seilbahninformationen, sondern auch Daten des Gebäudemanagement, der Beschneiung, der Pistenpräparierung und andere. Innovationen bei Doppelmayr haben meist mit Sicherheit und Komfort zu tun. Dabei stehen sowohl die Fahrgäste als auch die Seilbahnmitarbeiter im Fokus. Intuitive Bedienung der Anlage, einfach zugängliche Komponenten, nützliche Funktionen und anderes sind hier der Kern.

Welche aktuellen Projekte beeindrucken Sie denn besonders?
Aus persönlichen Gründen ist es der Skyway Monte Bianco. Es war das größte Projekt für Doppelmayr Italien, ich durfte es persönlich betreuen. Ein Projekt aus der jüngsten Vergangenheit, welches auch sehr beeindruckend ist, ist der Eiger Express in Grindelwald. Und auch die urbanen Seilbahnprojekte wären da zu nennen, Cablebús Línea 1 in Mexico City oder Mi Teleférico in La Paz, das größte Seilbahnnetz der Welt.

Wo sehen Sie die größten Wachstums­chancen? In welchen Bereichen, in welchen Ländern?
Der wichtigste Markt ist nach wie vor der Bergtourismus und dort der Wintertourismus. Wir haben für die Wintersaison 2022/23 beispielsweise jeweils rund 30 Anlagen in den Alpen beziehungsweise in Nordamerika realisiert. Ähnlich investitionsstark sind die USA und Kanada auch im neuen Jahr. Wir sprechen in diesem Segment jedoch von Ersatzanlagen, das heißt, eine in die Jahre gekommene Bahn wird durch eine neue, meist leistungsstärkere oder effizientere Anlage ersetzt. Wachstumspotenziale im Winterstourismus-Sektor sehen wir vor allem in Ländern wie Armenien, Georgien, Kasachstan, aber auch China. In Asien sind Seilbahnen an sogenannten Points of Interest, zu Tempelanlagen, über Meeresbuchten, in Freizeitparks, eine sehr beliebte und nachhaltige Transportlösung. Sehr viel Potenzial hat die Seilbahn im Bereich der urbanen Mobilität. Wir gehen in diesem Bereich durchaus von Wachstum aus. Wir bauen gerade eine urbane Seilbahnverbindung im Großraum Paris. Auch die neueste Innovation, wie das Seilbahnsystem TRI-Line, bringt gerade im urbanen Kontext große Vorteile und ist noch konkurrenzfähiger im Vergleich mit bestehenden Lösungen. 

Welche sind die aktuell größten Herausforderungen?
Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das größte Kapital eines Unternehmens. Auch wir sind kontinuierlich auf der Suche nach neuen Team-Mitgliedern in sämtlichen Bereichen. Wir entwickeln uns und unsere Produkte gerade in Sachen Digitalisierung stark weiter. Dafür bauen wir inhouse Kompetenzen auf, für die wir Fachleute brauchen. Die Arbeitgeber-Konkurrenz in der Region ist allerdings sehr groß. Es gibt einige sehr renommierte Unternehmen im Land. Deshalb spielt es eine immer größere Rolle, als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Denn Fachkräfte sind heutzutage sehr schwer zu bekommen. Und …

Ja, bitte?
Lehrlinge sind ein sehr großes Thema bei uns. Wir bilden seit vielen Jahrzehnten junge Leute in den Elektro- und Metallberufen aus und sorgen damit für die Zukunft vor. Aktuell sind es über 100 Lehrlinge alleine am Standort in Wolfurt. In sämtlichen Unternehmensbereichen haben wir Kolleginnen und Kollegen, die ihr Berufsleben mit einer Lehre bei uns begonnen haben. In der Fertigung, in der Technik, im Kundendienst, auf Montage und in anderen Bereichen. Auch in Führungspositionen und in der Lehrlingsausbildung selbst geben sie ihr Wissen an die nächsten Generationen weiter. Das ist allerdings nicht selbstverständlich und auch hier stehen wir in Konkurrenz mit sehr guten Unternehmen, die ähnliche Lehrberufe wie wir anbieten. 

Was die Herausforderungen am Markt anbelangt …
Mit Beginn der Corona-Krise ist die Nachfrage bei uns um circa 20 Prozent zurückgegangen. Das war für uns alle schmerzhaft, für unsere Kunden aber sicher noch schmerzhafter, weil ihnen eine gesamte Wintersaison vollständig ausgefallen ist. Der Tourismus hat sich seither aber wieder gut erholt, wir konnten wieder zahlreiche Projekte umsetzten. Was den Bereich Intralogistik­lösungen betrifft, haben wir in Bezug auf die Nachfrage wenig gespürt. Und natürlich blieben wir von den Auswirkungen der Lieferkettenproblematik und der Preisentwicklungen nicht verschont.

Wie schätzen Sie den Wirtschaftsstandort Vorarlberg generell ein? 
Der Standort Österreich ist sehr gut. In Vorarlberg, direkt zwischen den Ost- und Westalpen, sind wir nahe bei unseren Kunden. Für Doppelmayr ist der Alpenraum mit Frankreich, Schweiz, Deutschland, Italien und Österreich der Hauptmarkt. Im Herzen Europas profitieren wir von einer guten Verkehrsinfrastruktur und haben hier zudem eine sehr hohe Mitarbeiter- und Ausbildungsqualität. Für uns ist es ein Privileg, dort arbeiten zu dürfen, wo andere Urlaub machen. Wir sind hier seit 130 Jahren fest verwurzelt. Die Vorarlberger sind sehr tüchtig, innovativ, kreativ und bodenständig. Das sind Werte, die auch sehr gut zu Doppelmayr passen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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