Herbert Motter

Im Land der zwei Geschwindigkeiten

Juli 2016

Der Wirtschaftsbericht des Landes und der Wirtschaftskammer sieht Vorarlberg auf einem stabilen Wachstumskurs. Verantwortlich dafür ist die überdurchschnittliche Leistungsperformance der heimischen Unternehmen trotz gedämpfter Weltwirtschaft.

Die Präsentation des jährlichen Vorarlberger Wirtschaftsberichts gehört zu den angenehmeren Aufgaben unserer Spitzenpolitiker. Angenehm deswegen, weil es Jahr für Jahr Positives zu berichten gilt. Vorarlberg ist wirtschaftlich stabil, trotz gedämpfter Weltwirtschaft und einer nur schwachen Konjunkturerholung im Euroraum. Die weltwirtschaftlichen Entwicklungen von 2015 haben sich Anfang 2016 fortgesetzt: verlangsamtes Wirtschaftswachstum in den USA und in China – Letzteres wird sich künftig stärker auf den Binnenmarkt konzentrieren. Brasilien und Russland befinden sich aufgrund niedriger Rohstoffpreise in einer Rezession, und im Euroraum kommt die Konjunktur nur langsam in Schwung.

Zum bereits vierten Mal in Folge ist Vorarlberg bei den Wachstumskennzahlen österreichweit ganz vorne dabei. Das Wachstum der österreichischen Wirtschaft blieb 2015 schon das vierte Jahr in Folge unter der Ein-Prozent-Marke. Für heuer wird eine deutliche Steigerung auf 1,6 Prozent erwartet. In allen österreichischen Bundesländern hat im Jahr 2015 die Wirtschaftsleistung zugenommen. Vorarlberg steht im Ländervergleich mit einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent auf Platz zwei hinter dem Burgenland, das um 2,2 Prozent gewachsen ist.

Hohe Eigenkapitalquote

Die Performance der Vorarlberger Wirtschaft ist keine Eintagsfliege, sondern ein nahtloses Fortsetzen nach der Krise vor einigen Jahren. Letztendlich ist es eine durchgängige Stärke, die Vorarlberg auszeichnet. Mitentscheidend dabei ist die starke Kapitalausstattung der Unternehmen, denn 50 Prozent der Betriebe weisen eine Eigenkapitalquote von mehr als 43 Prozent auf – einmal mehr ein Wert, der österreichweit top ist. Eigenkapital ist ein wichtiges Risikopolster und trägt zu einer geringeren Krisenanfälligkeit sowie zu einer verbesserten Bonität bei.

Vorarlberg mit höchster Kaufkrafteigenbindung

Auch bei der Kaufkrafteigenbindung weist Vorarlberg im Vergleich zu anderen österreichischen Ländern mit 89,5 Prozent den besten Wert auf, das heißt, von zehn Euro, die der Vorarlberger Konsument ausgibt, werden neun Euro im heimischen Handel umgesetzt.
In allen Bereichen, sei es Produktion, Export, Gewerbe und Handwerk, Bauwirtschaft, Einzelhandel, Tourismus, Lehrlingsquote, Patente oder Beschäftigungszahlen, gab es Steigerungen. Die Leistungsperformance der Vorarlberger Unternehmen war in Zeiten globaler Unsicherheiten und schwieriger Rahmenbedingungen auch 2015 überdurchschnittlich hoch. Unverschuldete Rückgänge in Märkten wie dem sanktionierten Russland oder den durch Krieg und Terror betroffenen Ländern des Nahen Ostens konnte die Exportwirtschaft in anderen Märkten mehr als nur ausgleichen. Diese unternehmerischen Leistungen der letzten Jahre sind in Bezug auf die Bürokratie und Finanzpolitik in Österreich – mit einer der europaweit höchsten Abgaben- und Steuerlasten – noch einmal höher einzuschätzen. Die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen sind alles andere als selbstverständlich, wie auch der Bundesländervergleich und der Blick auf Österreich zeigen. Das ist in erster Linie ein herausragender Erfolg unserer Betriebe, die sich ständig wieder aufs Neue im harten internationalen Wettbewerb beweisen. Soweit der Blick auf Vorarlberg.

Land der zwei Geschwindigkeiten

Dass wir in einem Land mit zwei Geschwindigkeiten leben, macht das jüngste IMD-Ranking deutlich. Das Lausanner Institute for Management Development (IMD) misst anhand des „World Competitiveness Scoreboard“ die Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität von insgesamt 61 Ländern. Auffallend dabei ist, dass Österreich überall dort gut abschneidet, wo es um die Effizienz der Unternehmen sowie um deren Einsatzbereitschaft und Leitungsfähigkeit geht. Demnach belegt Österreich bei der dualen Ausbildung Platz drei, Rang sechs schaut bei der Unternehmenseffizienz von Klein- und Mittelbetrieben heraus, und bei der Diversifikation der Wirtschaft landen wir immerhin auf Rang sieben von über 60 untersuchten Nationen.

Weniger gut sind wir aber, wenn es um die Effizienz der Regierungsarbeit auf Bundesebene geht. Schon im vergangenen Jahr waren die Ergebnisse besorgniserregend schlecht, 2016 zeigt sich ein unverändert düsteres Bild: 30. Platz bei der Wirtschaftsgesetzgebung, Rang 40 bei den öffentlichen Finanzen, und gar Vorletzter bei der Fiskalpolitik – es herrscht akuter Handlungsbedarf. In Österreich erleben wir zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Entwicklung der Effizienz. Es gibt nachweislich deutliche Unterschiede zwischen der „Effizienz der Regierungsarbeit“ und der „Effizienz der Wirtschaft“.

Im Jahr 2007 landete „Austria“ gesamt gesehen, sprich unter Berücksichtigung aller untersuchten Faktoren, noch auf Platz 11. Seit dieser Zeit fiel Österreich kontinuierlich zurück und liegt 2016 an Position 24. Übrigens: Hongkong, die Schweiz und die USA führen das aktuelle IMD-Ranking an.

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