Andreas Salcher

Die lebendige Schule als Zukunftsmodell

Oktober 2014

Jahrzehntelang wurde Kindern in der Schule Risikobereitschaft, Kreativität und vor allem jeder Unternehmungsgeist ausgetrieben, um sie zu gut gebildeten Angestellten oder zu braven Sachbearbeitern auszubilden. Die Begegnung mit Künstlern, Unternehmern oder Wissenschaftlern fand im Regelunterricht fast nie statt. Junge Menschen lernten daher überhaupt keine anderen Lebenskonzepte als die ihrer Eltern und Lehrer kennen, die sie zwar als wenig attraktiv, aber zumindest als sicher empfanden. Seit der Staat nicht mehr unbeschränkt Berufsanfänger aufnehmen kann, fühlen sie sich verraten, hilflos und wütend. Die Zukunft erfordert selbstbewusste, mutige junge Menschen, die nicht geduldig darauf warten, dass der Staat irgendeinen Job für sie schafft, sondern die den Mut aufbringen, selbst etwas zu unternehmen. Damit soll natürlich keineswegs die Schuld auf den Einzelnen abgeschoben werden. Ganz im Gegenteil, die Jugendlichen sind sowohl das Opfer eines rücksichtslosen Finanzkapitalismus als auch einer verfehlten Bildungspolitik.

Fazit: Wer über mehr Bildung verfügt, wird seltener gekündigt, verdient mehr und zahlt daher höhere Steuern, ist in geringerer Gefahr, kriminell zu werden, wird seltener krank und lebt deutlich länger. Diesen Bildungsreichtum vererbt er mit hoher Wahrscheinlichkeit an seine Kinder. So einfach ist das. Trotzdem leugnet die Politik in Österreich diese eindeutigen Zusammenhänge und versucht, den Absturz unseres Bildungssystems schönzureden. Die Sozial- und Gesundheitskosten werden explodieren, weil man jeden fünften jungen Menschen in neun Jahren im Schulsystem völlig vernachlässigt, um ihn danach 60 Jahre erhalten zu müssen. Das ist ziemlich dumm.

Warum ist das so? Unser Schulsystem ist eine relativ junge Institution, die in ihrer heutigen Form erst mit dem Beginn der Industrialisierung geschaffen wurde. Daher fehlt der Schule von Anfang an die Einbindung in unsere Gesellschaft, die zum Beispiel in der Wirtschaft Jahrhunderte lang durch die Bauern, Märkte, Handwerker, Kaufleute, Handelsschiffe und Banken immer gegeben war. Die Wirtschaft war immer Teil unseres Lebens, so wie Sport, Technik oder Kultur. Genau diese Verflechtung mit unserer täglichen Welt brauchen die Schulen in Zukunft, wenn sie nicht zu Museen einer längst vergangenen Zeit verkommen wollen. Und dazu müssen wir Mauern niederreißen. Die Schule von morgen muss sich endlich als Teil unserer Gemeinschaft und die Gemeinschaft muss sich als wichtiger Ort des Lernens verstehen.

In den nächsten dreißig Jahren werden laut UNESCO mehr Menschen eine Schule abschließen als in der gesamten Geschichte der Menschheit. Dort werden die zukünftigen Handlungsweisen von bald zehn Milliarden Erdbewohnern entscheidend geprägt. In den Schulen geht es um die Zukunft unseres Planeten, auf dem wir nicht alleine sind.

Das Modell für die Zukunft der Schule ist die ökologische Schule, die Kindern schon früh vermittelt, dass wir alle auf der Erde Teile eines gemeinsamen Ganzen sind und dass wir alle nur gemeinsam überleben können. Die ökologische Schule ist ein lebender und sich selbst steuernder Organismus, vernetzt mit seinem sozialen Umfeld.

Das Wissen, wie eine Schule aussehen müsste, die sich an den individuellen Bedürfnissen der Schüler orientiert, ist bekannt. Hier einige der Prinzipien, nach denen die guten Schulen der Welt funktionieren:

- Ein exzellenter Direktor, der Menschen führen und begeistern kann. Dieser Direktor kann sich seine Lehrer aussuchen und diese auch kündigen.

- Die Lehrer werden erst einem selektiven Auswahlverfahren unterzogen, erhalten danach aber viel Wertschätzung. Sie lernen von einander, bekommen ständig Feedback über ihre Leistungen, werden gecoacht und haben Aufstiegschancen, zum Beispiel als Fachexperten oder pädagogische Bereichsleiter.

- Die Schüler werden systematisch in ihren Stärken und Schwächen erfasst und ständig weiterentwickelt. Es gibt einen klaren Verhaltenskodex, der auch konsequent umgesetzt wird. Für schwierige Fälle gibt es Spezialisten.

- Der Unterricht geht über die klassischen Fächer wie Mathematik, Sprachen und Naturwissenschaften hinaus und umfasst Lernen in Projekten, Kunst, Sport und soziale Erfahrungen.

- Die Eltern werden von Anfang an in das Netzwerk der Schule eingebunden, sei das bei manchen auch noch so schwierig.

 

Es gibt kein Konzeptdefizit, es besteht ein Handlungsdefizit. Und es herrscht viel Angst, Tabus anzugreifen. Viele Wege führen zur Schule der Zukunft, eines haben diese Wege aber gemeinsam: Es geht um harte Arbeit, unermüdliche Verbesserungen und ständige Zukunftsinvestitionen über sehr lange Zeiträume. Auf diesem Weg finden sich weder Abkürzungen noch magische Erfolgsrezepte.

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