J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Eisenblüte und versteinertes Perlmutt

Februar 2025

Die spanische Provinz Aragonien und der steirische (ehemalige) Bergbauort Oberzeiring haben eines gemeinsam. Beide sind Namensgeber für ein Mineral, eine der Erscheinungsformen des Calciumkarbonats, das gemeinhin als „Kalk“ bekannt ist. Aber nur einer der beiden Namen ist als gültiger Mineralname weltweit anerkannt, der Aragonit. Zeiringit hingegen ist eine unter Sammlern wie Händlern gleichermaßen beliebte Benennung für eine durch Verwachsungen mit dem Kupfermineral Aurichalcit hellblau gefärbte Eisenblüte. Und diese wiederum ist eine reinweiße, korallenartig verzweigte Varietät des Aragonits. Eisenblüte vom Steirischen Erzberg und der mehr krustige Zeiringit aus Oberzeiring gehören zu den attraktivsten Mineralen Österreichs, die in keinem bedeutenden Mineralienkabinett – sei es der Herrschenden, sei es der Klöster – fehlen durften. Ja, zwischen den Sammlungen herrschte ein regelrechter Konkurrenzkampf, wer die größte und schönste Eisenblüte sein Eigen nannte. Funde, wie wir sie im Naturhistorischen Museum in Wien bewundern können, gehören freilich längst der Vergangenheit an. Sprengungen sorgen effizient dafür, dass die Mineralstufen in kleinste Fragmente zerstückelt werden, und die Bergarbeiter haben keine Zeit, sich um die verbleibenden Funde zu kümmern. In Oberzeiring wiederum ist der Bergbau längst abgegangen, und abgesehen von Schaubergwerk und Heilstollen dürfen die mittelalterlichen Untertageanlagen aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden – was in weiten Bereichen auch gar nicht mehr möglich ist, denn das Bergwerk ist „abgesoffen“, die Stollen und Schächte sind mit Wasser gefüllt. Vorarlberg kann mit diesen beiden Fundstellen nicht mithalten. Aragonit ist zwar auch bei uns keineswegs selten, wird aber kaum in nennenswerten Kristallen oder Aggregaten gefunden. Lediglich in den Stollen am Bartholomäberg und Kristberg bildeten sich Sinterkrusten, die manchmal durch Kupfer grünlich-blau gefärbt sind. Für Sammler aber sind diese kaum attraktiv.
Eisenblüte, Zeiringit und Sinterkrusten sind also nichts anderes, als unterschiedliche Erscheinungsformen des Aragonits, eines Minerals, das heuer zum österreichischen „Mineral des Jahres“ gekürt wurde. Neben der Attraktivität dieser Varietäten war vor allem das Vorkommen in allen Bundesländern für die Wahl entscheidend. Zwei Faktoren aber schmälern den Stellenwert des Aragonits: Er sieht – vor allem in kleinen Kristallen – seinem „großen Bruder“, dem Calcit zum Verwechseln ähnlich. Gar nicht so selten können die beiden nur durch röntgenographische Untersuchung der Kristallstruktur unterschieden werden. Und manchmal ist der Aragonit metastabil und wird in Calcit umgewandelt. Chemisch gesehen macht dies wenig Unterschied, denn beide Minerale bestehen aus Calciumkarbonat. Mineralogisch unterscheiden sie sich aber signifikant in ihrem inneren Aufbau, dem Kristallgitter.
Und doch ist Aragonit häufiger, als man denkt. Die Schale der meisten gehäusetragenden Lebewesen besteht aus Aragonit. Mikroskopisch kleine Plättchen sind in der Schalenebene zu Schichten angeordnet, bei Muscheln mehr dachziegelartig, bei Schnecken eher in Stapeln. Bis zu fünf Prozent organisches Material (Chitin und Proteine) können zwischen den Aragonit-Plättchen eingelagert sein. Diese Verwachsungen erzeugen bei Lichteinfall gelegentlich einen schillernden, irisierenden Glanz. Als Perlmutt finden solche Gehäuse im Kunsthandwerk und in der Schmuckindustrie Verwendung. So häufig Aragonit in den Schalen lebender Tiere vorkommt, so selten wird Perlmutt versteinert gefunden. Die Instabilität der Kristallstruktur bewirkt, dass Aragonit leicht gelöst wird. Manchmal wird das gelöste Calciumkarbonat vom Wasser durch den Porenraum abtransportiert und lässt einen Hohlraum zurück. In anderen Fällen kristallisiert es an Ort und Stelle als Calcit wieder aus. In der Paläontologie sind rekristallisierte Fossilien nicht gerne gesehen. Nicht nur die Schalen sind umgewandelt, auch manche Hohlräume sind mit Calcit gefüllt, wodurch der innere Bau der Tiere überprägt wird und für die Bestimmung wichtige Strukturen verloren gehen. Aber in seltenen Fällen bleibt sogar der organische Anteil konserviert, und das Schillern des Perlmutts ist noch nach Jahrmillionen sichtbar. Voraussetzung dafür ist, dass die leere Schale nach Absterben des Tieres möglichst rasch eingebettet und vor Wasserzutritt geschützt wird. Und das Gestein darf nicht in größere Tiefen gelangen, wo Temperaturen über 400 °C herrschen. Denn dann wäre die Umwandlung zu Calcit nicht aufzuhalten. Beim „Ammolit“ der Rocky Mountains, der Schale von Ammoniten der Oberen Kreidezeit, sorgte die Überdeckung mit Vulkanasche für den nötigen Schutz, und der Perlmutteffekt blieb fossil konserviert. Sehr selten kann man aber auch in Vorarlberg Ammoniten-Fragmente finden, die nach rund 105 Millionen Jahren noch immer perlmuttartig schwach rötlich und grünlich schillern: Hier sorgte die vollständige Umhüllung mit Phosphorit für den nötigen Schutz. Benachbarte Schalen, die Kontakt zum umgebenden Sand hatten, wurden im Laufe der Zeit gelöst, sodass im Normalfall nur noch die phosphoritische Füllung, der Steinkern erhalten blieb. Wo auch der Sandstein selbst durch Säuren im Boden zersetzt wurde, können die von der Natur chemisch präparierten Steinkern-Fossilien leicht geborgen werden. Um aber Perlmutt-Fragmente zu finden, muss der umgebende Phosphorit aufgebrochen werden. Die Fragmente sind zu klein, um die Ammoniten auf Artniveau ansprechen zu können. Und doch gehören sie zu den seltenen Besonderheiten aus der Vorzeit Vorarlbergs. Und sie sind eine weitere Erscheinungsform des „Mineral des Jahres“ Aragonit.

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