Harald Weigel

Direktor der Vorarlberger Landesbibliothek

Antiquiert?

April 2016

Die „WirtschaftsWoche“ bringt am 19. Februar 2016 einen Artikel mit unerwartetem Thema: „Aller Digitalisierung zum Trotz erlebt eine antiquierte Institution ihre Wiederauferstehung: die öffentliche Bibliothek.“ Der Autor staunt: Die Zentralbibliothek in Köln steckt voller Leben, fast alle Lese- und Lernplätze sind belegt, Gruppen von Schülern sitzen zusammen, viele Veranstaltungen. Bibliotheken mit ihrem vielfältigen Angebot und ohne Konsumzwang sind ein beliebter Treffpunkt. Weit mehr Menschen besuchen Bibliotheken als Spiele der Fußball-Bundesliga. Auch die wissenschaftlichen Bibliotheken erfinden sich neu. Die nach der Asbestsanierung neu eröffnete Universitätsbibliothek Konstanz, die jetzt „Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum“ heißt, legt größten Wert darauf, die immer wichtigeren Funktionen „Lernort“ und „sozialer Ort“ zu gestalten: Die Info-Zone ist großflächig angelegt als Ort der Begegnung und des Austauschs, mit Beratungsangeboten, offenen Gruppenarbeitsbereichen, ansprechendem Ambiente und Bibliothekscafé, aktuellster technischer Ausstattung, RFID-Einsatz zur Selbstverbuchung von Medien und Ausgangskontrolle. Bei den frei zugänglichen Regalen gibt es stille Einzelarbeitsplätze und Gruppen- wie Schulungsräume verschiedener Art. Ein „Hybrid Bookshelf“ mit Touchscreen, ein virtuelles Bücherregal, in dem gedruckte wie elektronische Bücher nebeneinander stehen, wird wie ein Smartphone bedient. So eine zeitgemäße räumliche Infrastruktur sollte die Vorarlberger Landesbibliothek als hybride wissenschaftliche Universalbibliothek eigentlich auch haben. Und das sagt sie schon viele Jahre. Und das wird auch anerkannt. Es gibt aber halt immer wieder andere Prioritäten. Tausende Bibliotheksbesucher hoffen jedoch, dass sie keine Antiquität betreten müssen.