Eva Häfele

Zu jung fürs alte Eisen

November 2015

Männer erleben ihre Karrierehöhepunkte auch noch jenseits des Sechzigsten. Das neueste prominente Beispiel ist Matthias Müller (62), seit wenigen Wochen neuer Vorstandsvorsitzender der krisengeschüttelten Volkswagen AG. Für qualifizierte Frauen hingegen sind solche Aufstiege bereits jenseits der 50 eine Seltenheit, und mit 60 sind sie reif für den Ruhestand. Das ist absurd.

Denn derzeit kommen Frauen in ihre Fünfziger und Sechziger, die vor 30 bis 40 Jahren zur ersten Generation der Bildungsgewinnerinnen gehört haben. Denn erst ab Mitte der 1970er-Jahre wurde es auch in Vorarlberg zunehmend normal, dass junge Frauen genauso wie Männer eine qualifizierte Ausbildung bis hin zur Universität absolvierten. Doch ausgerechnet heute, wo Frauen dieser ersten Erfolgsgeneration die Früchte ihrer Erwerbskarriere auch in Führungspositionen ernten könnten, gehören sie schon wieder zum alten Eisen. Das wird sich, wie viele andere Haltungen im Verhältnis zwischen den Geschlechtern, nicht so schnell ändern. Doch Änderung wäre angebracht – im Interesse aller. Denn warum sollten wir auf solche Potenziale verzichten, während sie bei Männern jenseits der 60 erst so richtig aufzublühen beginnen? Ein erstes wichtiges Signal wäre die Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen, wobei dennoch ihren beruflichen Auszeiten infolge von Familienarbeit Rechnung getragen werden müsste.

Bereits heute gehören gut gebildete weibliche Selbstständige zu jenen, die den Übergang in den Ruhestand in ihr siebtes Lebensjahrzehnt und darüber hinaus verschieben. Noch handelt es sich um eine kleine Minderheit. Doch wenn die Gesellschaft und die Wirtschaft wollen, dass Frauen verstärkt Führungspositionen übernehmen, dann darf ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft keine Grenze gesetzt werden – jedenfalls nicht mit 60.