Nur zögerlich blicke ich derzeit in die sozialen Medien oder die Polit-Talks im TV. Ständig stoße ich dort auf empörte Menschen. Erstaunlich, mit welcher Überzeugung die Positionen vorgetragen werden, so seltsam sie auch sein mögen. Dieses „Schwarz-Weiß“ ist schwer auszuhalten. Dabei spielt sich der Großteil des Lebens im Graubereich dazwischen ab. Man kann etwa Eigenverantwortung und Leistung einfordern – und gleichzeitig Sozialleistungen für jene, die sie benötigen. Man kann gegen unkontrollierte Migration sein, ohne die Einzigartigkeit und Würde jedes Menschen zu vergessen. Ich bin erschüttert von den Gräueltaten der Hamas und den haarsträubenden Versuchen mancher, diese zu relativieren – was mich nicht davon abhält, die furchtbare Situation vieler Palästinenser mitzufühlen. Es gäbe so viele Beispiele!
Gefährlich ist die Aggressivität von Rechtsaußen, die mit Gefühlen spielt, Ängste schürt und auf unverantwortliche Weise unsere liberale Demokratie schlechtredet. Zwischendurch geht mir allerdings auch die moralische Belehrung der Bildungselite auf die Nerven – weil sie mitunter selbstgerecht daherkommt und mit ihrer Identitätspolitik an den meisten Alltagssorgen vorbeigeht.
Derzeit sitze ich bei vielen Themen zwischen den Stühlen. Dieser Platz ist nicht bequem. Doch die ständige Differenzierung erscheint mir notwendig. Bei den großen Fragen unserer Zeit braucht die Meinungsbildung vermutlich ein paar Extrarunden und Korrekturen.
Übrigens wäre ich froh, wenn manche empörte Menschen einfach einmal stillhalten könnten. Um sich zu hinterfragen und einzugestehen, nicht immer alles zu wissen. Oder wie der Musiker „Danger Dan“ in der Poolbar sinngemäß sagte: Es wäre schon gut, wenn die Menschen die Komplexität unserer Welt einfach als Komplexität unserer Welt anerkennen würden.
Kommentare