J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Baumeister und Landschaftsarchitekt

Juni 2022

Wo ein Biber haust, hinterlässt er untrügliche Spuren. Angenagte und oft auch gefällte Bäume geben ein zweifelfreies Zeugnis seiner Anwesenheit. Denn er braucht Äste, um mit ihnen einen Staudamm zu errichten. Der Eingang zu seiner Behausung liegt stets unter Wasser und wird nur bei Niedrigwasser sichtbar. Durch den Damm gleicht er die schwankende Wasserführung des Baches aus. Den Bau selbst gräbt der Biber dann aber ins Erdreich. Doch das hat manchmal seine Tücken: Die Sedimente sind nicht immer mächtig genug, um den gesamten Bau in seiner vollen Höhe aufnehmen zu können. Aber auch ein Tagbruch bringt das Tier nicht aus der Ruhe. Das Loch im Erdboden wird schlicht mit Ästen überdeckt. In Ausnahmefällen findet sich auch eine freistehende Biberburg, die nur aus Astmaterial besteht.
Hat sich ein Biber erst einmal wohnlich eingerichtet, so verlagert er seine Nagearbeit in den Winter. Er ist Vegetarier. Während im Sommer genügend frisches Grün als Nahrung zur Verfügung steht, muss er sich im Winter mit der Rinde der Bäume begnügen. Und die ist in den bodennahen Stammbereichen hart und zäh. Frische, wohlschmeckende Rinde findet sich nur an den jüngsten Ästen. Um diese zu erreichen, muss der Biber gleich den ganzen Baum fällen. Seine Schneidezähne sind dafür bestens geeignet. Besteht der Zahnschmelz auch – gleich wie bei uns Menschen – zum Großteil aus Hydroxylapatit, so sorgt eingelagertes Eisen für zusätzliche Härte. Die Vorderseite der Schneidezähne ist daher auffallend orange gefärbt. Die Hinterseite ist weniger resistent und nutzt sich schneller ab: Nagt der Biber am Holz, so werden dabei die Zähne automatisch geschärft. Vor zu starker Abnutzung muss er sich aber nicht fürchten: Die Schneidezähne wachsen kontinuierlich nach.
Nicht immer ist der Biber gern gesehen. Durch den Staudamm verändert er die Landschaft. An einem ursprünglich rasch fließenden Bach entstehen Stillwasserbereiche mit vermindertem Abfluss. Manche Kleintiere verlieren dadurch ihren Lebensraum, aber in Summe nimmt die Artenvielfalt an Bibergewässern zu.
Für die Fische behindert der Damm den Weg bachaufwärts, doch Jungfische finden zwischen den Ästen reichlich Verstecke und Schutz. Der Mensch betrachtet die Umgestaltung der Landschaft mit gemischten Gefühlen: Solange seine eigenen Interessen nicht beeinträchtigt werden, ist der Biber ein gern gesehener Gast. Das ändert sich rasch, wenn der Damm nach Starkregen den Wasserabfluss verhindert und der Rückstau Felder überschwemmt und Keller flutet. Problematischer sind die unterirdischen Bauten. Werden Schutzdämme, aber auch Wege neben dem Gewässer unterminiert, so wird der Biber zum Sicherheitsrisiko.
Dabei ist es gar nicht so lange her, seit in Vorarlberg wieder Biber hausen: 2006 wurden am Alten Rhein in Gaißau erste Spuren entdeckt. Der heutige Bestand wird auf etwa 200 Tiere geschätzt. Warum das größte Nagetier Europas vor 350 Jahren in Vorarlberg ausgerottet wurde, hatte mehrere Gründe. Nur einer davon ist logisch nachvollziehbar: Das Fell des Bibers war ein gefragter Rohstoff für Bekleidung. Seltsamer mutet an, dass diese Tierart die Fastenregeln unterlief. In der Universal-Enzyklopädie von 1733 lesen wir: „Der Biber ist gut zu essen, wird halb Fleisch, halb Fisch zu seyn erachtet; der obere Theil biß an die hinter-Füsse ist würcklich rechtes Fleisch, so dem Dachs-Fleisch gleichet, und nur an Fleisch-Tagen bey denen Römisch-Catholischen zu essen vergönnt ist. Hingegen der Unter-Theil nach dem Schwantze zu, der am meisten ins Wasser kommt, ist von Natur und dem Geschmacke nach Fisch, gleich denen Fisch-Ottern, und darff deswegen auch an denen Fast-Tagen gespeiset werden, doch muß es, wegen Undaulichkeit des Magens, mit Gewürtz reichlich versehen seyn.“
Dass man den Biber aufgrund seiner aquatischen Lebensweise den Fischen gleichsetzte, mag ja noch hingehen. Dass dann aber zwischen Vorder- und Hinterkörper differenziert wurde, ist eine Spitzfindigkeit, die sogar am Konstanzer Konzil (1414 bis 1418) in einem päpstlichen Edikt festgeschrieben worden sein soll. Die Vermutung liegt nahe, dass nichts verschwendet wurde, sondern sehr wohl das ganze Tier verzehrt worden ist: Man muss ja nicht gleich den Pfarrer zu „Biberschwänzen mit Himbeeren“ einladen! Der dritte Grund für die Jagd war das Bibergeil. Mit diesem Duftsekret pflegen Männchen wie Weibchen ihr Fell und markieren ihr Revier. Die keulenförmigen Beutel mit dem Sekret sind ursprünglich als Hoden fehlinterpretiert worden. Erst als Bibergeil auch in den Weibchen entdeckt wurde, musste diese Annahme korrigiert werden. Was bleib, war der Name. Die Beutel wurden den toten Tieren entnommen, getrocknet und zu Pulver zermahlen. Ihm schrieb man wahre Wunderkräfte zu: „Im übrigen zeiget der Geruch des Bibergeils, dass es ein flüchtiges und oelichtes Saltz […] in sich habe, womit es erwärmet, zertheilet, die zähen Feuchtigkeiten im Leib wiederum dünnt und flüßig machet, die Dünste dämpffet, der Fäulung widerstehet, die bösen Feuchtigkeiten durch die unempfindliche Ausdünstung aus dem Leibe treibet, und die Nerven stärcket, weswegen es denen Haupt- und Nerven-Kranckheiten, als gantzen und halben Schlag, Fallende-sucht, verlohrnen Gehör, Schwindel und dergleichen, wie auch alle Bauchgrimmen, hauptsächlich aber gegen die die so genannte Mutter-Beschwerungen, Erstickung der Mutter etc. ein sehr herrliches Mittel ist, auch die Monathliche Zeit und alle Reinigungen nach der Geburth befördert.“
Auf solche Wundermittel sind wir heute nicht mehr angewiesen, und auch die Speisevorschriften haben sich gewandelt. Pelz ist ohnehin kein Thema mehr. Damit droht dem Biber nur dort Gefahr durch den Menschen, wo er zu sehr in dessen Interessen eingreift. An allen übrigen Ort dürfen wir uns freuen, dass dieses Nagetier wieder bei uns heimisch ist.

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