J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Ein „titanisches“ Mineral

Dezember 2017

Das Charaktermineral der Ablagerungsgesteine Vorarlbergs ist der Calcit. Als häufigstes und auch vielfältigstes Mineral ist er beinahe im gesamten Bundesland anzutreffen – kaum aber im Süden unseres Landes. Dort, in den Umwandlungsgesteinen von Silvretta und Verwall, fällt es schwer, ein eigenes Charaktermineral zu definieren. Die gesteinsbildenden Gemengteile zeigen keine schönen Kristalle, und die übrigen Minerale sind zu selten, um sie als typisch für dieses Stockwerk im Bau der Alpen zu benennen. Mineralogisch interessant sind sie allemal!

Im Montafon südlich des Rellstal, des Kristbergsattels und des Klostertals bilden kristalline Gesteine den geologischen Untergrund. Sie sind die ältesten Bausteine unseres Landes und haben bereits eine frühere Gebirgsbildung mitgemacht. Bei Temperaturen bis zu 600 bis 700 Grad Celsius und Drücken bis 15 kbar (entsprechend 45 Kilometer Überlagerung) wurden sie vor 350 bis 310 Millionen Jahren „gut durchgekocht“. Nichts blieb dabei, wie es war: Mineralkörner reagierten miteinander, wurden gelängt und vergrößert. Neue Minerale bildeten sich. Sandstein und Granit wurden zu Gneis, und aus Basalt entstand das Hornblendegestein Amphibolit. Spalten rissen auf, wurden mit Quarz gefüllt. Während der Auffaltung der Alpen vor circa 130 bis 110 Millionen Jahren wiederholten sich diese Vorgänge, wenngleich bei moderateren Druck- und Temperaturbedingungen. Diesem mehrphasigen Umwandlungsgeschehen ist es zuzuschreiben, dass in unseren südlichen Landesteilen Bergkristallklüfte fehlen. Lediglich feine Risse standen zur Verfügung, in denen nur unscheinbare Kriställchen Platz fanden. Die größten und optisch ansprechendsten Kristalle aber sind in Quarz eingewachsen. Das Titanmineral Rutil ist eines davon.

Rutil fällt auf. Das namensgebende lateinische Wort rutilus (= rötlich) gibt nur einen kleinen Eindruck vom Farbspektrum des Rutils. Je nach dem Grad der Verunreinigung mit Eisen kann die Farbe von goldgelb über ein metallisches Weinrot bis hin zu beinahe schwarz variieren. Der ideale Kristall wäre eine viereckige Säule mit abgeschrägten Kanten, auf die oben und unten eine Pyramide aufgesetzt ist. Doch ideale Kristalle werden kaum gefunden. Immer wieder sind mehrere Kristalle miteinander verwachsen. Zwillingsbildungen sind häufig. Knieförmige Zwillinge sind dabei ebenso möglich wie ein geschlossener Ring. Manchmal aber bilden feine Rutil-Nadeln ein regelmäßiges Gitter.

Bereits die ältesten Zusammenstellungen der Mineralien Vorarlbergs (beide aus dem Jahr 1913) erwähnen den Rutil. Im Rellstal finden sich bis zu zehn Zentimeter lange gestreckte, aber unvollständig ausgebildete Kristalle. Sie sind in Quarzknauern eingewachsen. Bei mechanischer Beanspruchung reagieren sie spröde – sie zerbrechen, ohne sich vom umgebenden Quarz zu lösen. Noch größere Kristalle wurden an der Gemeindegrenze zwischen Silbertal und Dalaas gefunden. Dort sind im Quarz bis zu 24 Zentimeter lange und vier Zentimeter dicke Rutil-Säulen eingewachsen. Wie im Rellstal können auch sie nicht unbeschädigt geborgen werden. Dass Rutil auch an anderen Orten im Silvrettakristallin vorkommt, war zu erwarten. Im Vorjahr konnte ein neues Vorkommen entdeckt werden. Auch am Hochjoch oberhalb von Schruns ist der Rutil in ein Quarzband eingewachsen. Wenigstens ein knieförmiger Zwilling konnte beinahe unbeschädigt geborgen werden. Mit einer Kantenlänge von sieben Millimetern ist er bedeutend kleiner als die Kristalle der bisher bekannten Vorkommen. Aber er beweist, dass Rutil im Montafon häufiger ist, als es die wenigen Funde und Literaturangaben vermuten lassen.

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