Herbert Motter

Das unbekannte Gesicht der USA

Oktober 2016

Die USA legen im Exportranking Vorarlbergs mächtig zu. Mit einem Zuwachs von 27,1 Prozent auf 482,2 Millionen Euro im Jahr 2015 kommen die Vereinigten Staaten den bedeutendsten drei Exportländern Vorarlbergs – Deutschland, Schweiz und Italien – immer näher. Der wichtigste Markt für Vorarlbergs Unternehmen außerhalb Europas sind die USA schon seit einigen Jahren. Ob das nach der US-Wahl so bleibt?

Als äußerst dienlich für unsere Exportwirtschaft erweist sich der wirtschaftliche Aufschwung in den USA, der sich unvermindert fortsetzt. Im April 2016 wurden die Prognosen auf ein Wachstum von passablen 2,0 Prozent festgelegt. Wachstumsfördernd sind immer noch die hohen Konsumausgaben, die zu einem Ansteigen von Arbeitsplätzen vor allem bei den Dienstleistungen und verstärkt auch im Hightech-Sektor führen. Die dadurch hervorgerufene sinkende Arbeitslosigkeit (durchschnittlich fast 230.000 neue Jobs pro Monat im Jahr 2015) sowie das gestiegene Familieneinkommen durch die niedrigen Energiepreise erhöhen das Konsumentenvertrauen und treiben den Zyklus des Wirtschaftswachstums immer weiter.
Innovative Qualitätsprodukte und Services zahlreicher Vorarlberger Unternehmen sind in den USA sehr gefragt. Etwa 80 Vorarlberger Unternehmen verfügen über eine lokale Niederlassung. Alpla produziert mit mittlerweile 13 Werken in den USA Verpackungen für die Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie. Seit 1999 ist Doppelmayr am amerikanischen Markt tätig. Zuletzt baute der Seilbahnspezialist den Oakland Airport Connector, eine 5,1 km lange Verbindung zwischen dem Flughafen und dem Oakland Coliseum. 2003 wagte Gebrüder Weiss gemeinsam mit dem Partner Röhling aus Bremen den Sprung über den Atlantik und bearbeitet den Markt mit mittlerweile neun Niederlassungen. Julius Blum ist seit 1977 in den USA mit einer Niederlassung vertreten und produziert seit 1984 in North Carolina. Im selben Jahr eröffnete das Zumtobel-Werk in New Jersey. North Carolina gilt als inoffizieller Hotspot des Vorarlberger Beschläge-Know-hows in Übersee. Grass ist seit 1977 in den USA und produziert ebenfalls dort. Auch unser Mode-Exporteur Nummer 1, Wolford, ist seit 1996 an mittlerweile 27 Standorten mit Shops in den nobelsten Einkaufsstraßen der USA vertreten. Oder nehmen wir die Gunz Warenhandels GmbH: Sie hat ihre Lebensmittelprodukte für den US-Markt adaptiert und betreibt sogar einen Shop in New York.

Clinton oder Trump: Gefahr für den Freihandel?

Noch läuft das Geschäft, der Sprung auf das Treppchen als eine der drei wichtigsten Exportnationen für unser Land ist nur eine Frage der Zeit. Doch welches Gesicht die USA unter einer neuen Präsidentin oder einem neuen Präsidenten zeigen wird, ist für ein Exportland wie Vorarlberg keineswegs unerheblich.

Freihandel und Wirtschaftspolitik sind wie selten zuvor im Zuge des US-Präsidentschaftswahlkampfs präsent. Auch wenn es sonst kaum Einigkeit zwischen der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihrem republikanischen Rivalen Donald Trump gibt: Beide sehen den Freihandel als Gefahr für die US-Wirtschaft. „Während diese Protektionismus-Position beim Populisten Trump wenig überrascht, ist die Kurswende bei der ehemaligen Befürworterin des Pazifik-Freihandelsabkommens (TTP) Clinton umso bemerkenswerter. US-Präsident Barack Obama, der TTP noch dieses Jahr vor Ablauf seiner Amtsperiode durch den US-Kongress ratifizieren lassen möchte, warnte vor der UNO-Vollversammlung diese Woche in New York wiederholt vor einer Abkehr von der Globalisierung zugunsten von Protektionismus. Nationen, die diesen Weg wählten, würden sich damit aus der internationalen Staatengemeinschaft ausgrenzen und den Weg für Populismus und religiösen Fundamentalismus ebnen, erklärt Michael Friedl, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in New York.

„Trump äußert sich stark gegen existierende Freihandelsabkommen der USA und überlegt, aus der WTO auszutreten und eventuell NAFTA abzuschaffen. Außerdem denkt er laut über hohe Strafzölle für Importe aus China nach und befürwortet ‚Americanism instead of Globalism‘. Clinton hat mit ihrem Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Kaine einen expliziten Freihandelsbefürworter an ihrer Seite, und es gilt als wahrscheinlich, dass sie nach dem Wahlkampf wieder offener für Globalisierungsfragen sein wird“, betont der USA-Kenner. Wirtschaftspolitische Beobachter erwarten eine im Vergleich zu Präsident Obama zurückhaltende Freihandelspolitik beider Kandidaten, auch was TTIP betrifft – sicherlich verstärkt durch den Brexit –, und einen größeren Protektionismus der US-amerikanischen Wirtschaft, die durch den starken Dollar im globalen Markt weniger wettbewerbsfähig geworden ist. Wirtschaftsdelegierter Friedl: „Obwohl der von Obama lancierte politische ‚Asian pivot‘ der USA bedeutend bleiben wird, erwarten wir dennoch bei beiden Kandidaten eine wieder verstärkte Zuwendung zu Europa.“

Keine Allmacht

Es dürfe, betont der Wirtschaftsdelegierte, aber nicht vergessen werden, dass Wirtschaftspolitik in den USA nicht nur vom Präsidenten gemacht wird. Dieser könne zwar durch den Kongress eine „Carte Blanche“ für Verhandlungen über Freihandelsabkommen erhalten (die sogenannte Trade Promotion Authority), aber die endgültige Entscheidung über die Abschlüsse liege bei den gewählten Volksvertretern im Senat und Repräsentantenhaus, die hier oft eigene politische Strategien verfolgen und die im November 2016 auch teilweise neu gewählt werden. „Außerdem spielen sich viele Facetten der Wirtschaftspolitik wie Steuerbestimmungen, Investitionsanreize und Arbeitsrecht oft auch fern von Washington auf Bundesstaaten- oder Bezirksebene ab. Der neue Mann oder die neue Frau an der Spitze der USA wird also sicherlich eigene wirtschaftspolitische Akzente setzen wollen, aber eine komplett veränderte Wirtschaftspolitik der USA nicht im Alleingang durchsetzen können“, sagt Michael Friedl.

 

Beispiele von Erfolgs­geschichten Vorarlberger Unternehmen in den USA

  • Künz liefert Kräne für einen Verladebahnhof in Florida.
  • Getzner liefert die Vibrationsschutz-Ummantelung für das Luxushaus „The Touraine“ an der Upper East Side in Manhattan.
  • Seit 2014 fährt in Orlando, Florida, „Harry Potter‘s Hogwarts Express“ ab. Für die getreue Nachbildung des berühmten Dampfzugs vertrauten die Universal-Filmstudios auf die Doppelmayr/Garaventa-Gruppe.
  • ssT solar eröffnete 2013 eine Niederlassung in Phoenix, Arizona.
  • Rhomberg Bau berät die New Yorker Stadtverwaltung beim U-Bahn-Ausbau und liefert Heberichtelemente für den Gleisbau.
  • Rupp exportiert Käse in die USA und hat mit dem amerikanischen Partner Schreiber Foods das Gemeinschaftsunternehmen Schreiber & Rupp gegründet.
  • Schelling, einer der innovativsten Sägenhersteller, liefert Plattenaufteilsägen und -anlagen in die USA und ist auch mit einer Niederlassung in North Carolina vertreten.
  • Bachmann electronic liefert Hightech-Controller und Automatisierungslösungen für Windkraftwerke in den USA.
  • Rauch als Lohnabfüller für Red Bull ist für den Erfolg des Energy-Drinks in den USA mitverantwortlich.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.