Herbert Motter

Die Anerkennung ist wohltuend, aber kein Ruhekissen

Oktober 2017

Vorarlbergs Wirtschaft glänzte im vergangenen Jahr einmal mehr mit dem höchsten Wachstum aller Bundesländer. Eine Auszeichnung, die den tüchtigen Mitarbeitern in den Betrieben sowie den vielen engagierten und clever agierenden Unternehmerpersönlichkeiten im Land gebührt. Wirtschaftskammer-Präsident Hans Peter Metzler betont: „Sich darüber freuen ist richtig und wichtig, doch der Blick ist bereits wieder nach vorne gerichtet.“

Vorarlberg wurde eben erst mit dem WKÖ-Wachstums­preis für das Jahr 2016 ausgezeichnet. Einmal mehr hat das kleine Bundesland im Westen die anderen „ganz schön abgehängt“. Aufgrund eines durchschnittlichen Wachstums von 2,1 Prozent in den Jahren 2010 bis 2016 – im Österreichschnitt wurden in dieser Zeit gerade einmal 1,2 Prozent verzeichnet – bezeichnen Vorarlberg so manche als die Konjunkturlokomotive unter den österreichischen Bundesländern.

Das gilt auf alle Fälle bis zum Jahr 2016. Wie geht es aber weiter? Hält der Konjunkturaufschwung an? Was kann die Politik tun? Vorarlbergs Wirtschaftskammer-Präsident Hans Peter Metzler nahm bei der Preisübergabe anlässlich der Messeeröffnung Anfang September kein Blatt vor den Mund: „Die Anerkennung freut uns, aber sie ist kein Ruhekissen. Sie sollte uns noch mehr anspornen, wirtschaftliche Entwicklungen zuzulassen und nicht zu verhindern.“

Konjunkturell sind die Aussichten vorerst erfreulich und deuten darauf hin, das hohe Niveau in Vorarlberg nicht nur halten, sondern sogar ausbauen zu können. Kurz- bis mittelfristig jedenfalls. Langfristige Aussagen sind aufgrund der Volatilität der Weltwirtschaft äußerst schwierig geworden. Auch wie die „Politik“ nach dem 15. Oktober aussehen wird, ist von entscheidender Relevanz.

Erfreuliche Perspektiven

Im Vergleich zu der nach wie vor moderaten wirtschaftlichen Entwicklung in vielen Teilen Europas laufen in Vorarlberg die Uhren anders: robustes Wirtschaftswachstum, Aufwärtstrend auf dem Arbeitsmarkt, steigende Umsätze im Einzelhandel, eine zufriedene Baubranche, Exportsteigerungen und Rekordzahlen im Tourismus. Vorarlbergs Wirtschaft befindet sich auf stabilem Kurs. Ein aktuelles Wirtschaftsbarometer, an der sich auch 236 Vorarlberger Unternehmen beteiligt haben, liefert das, was aus Vorarlberger Sicht zu erhoffen war: eben erfreuliche Daten. Es bleibt dabei. In Vorarlberg ist die Wirtschaftsentwicklung jener im Rest von Österreich voraus. Laut den Umfrageergebnissen wird das erreichte hohe Niveau sogar noch weiter gesteigert werden. Ein Drittel der befragten Vorarlberger Unternehmen erwartet in den kommenden zwölf Monaten einen Anstieg der Auftragslage, die Hälfte rechnet mit einer gleichbleibenden Entwicklung. Wie erwähnt, auf einem bereits hohen Niveau. 55 Prozent rechnen mit Umsatzsteigerungen. Außerordentlich optimistisch sind Vorarlbergs Exporteure. Knapp 60 Prozent glauben fest an noch bessere Geschäfte mit dem Ausland. Deutlich an Dynamik gewann in den vergangenen Monaten die Baukonjunktur in Vorarlberg. Der Aufschwung basiert neben dem Hochbau vor allem auf einem starken Wachstum der abgesetzten Produktion bei den Bauinstallationen und den sonstigen Bautätigkeiten.

Positive Effekte hat dies auf den Arbeitsmarkt, die Arbeitslosenzahlen bleiben zwar aktuell aufgrund des Zuzugs vom Ausland konstant, die Beschäftigung aber steigt. Von Jänner bis August konnte die Zahl der Beschäftigten um über 3100 Personen ausgebaut werden, bestätigt eine Untersuchung der UniCredit Bank Austria AG Economics & Market Analysis Austria vom September. Beinahe jedes fünfte Unternehmen in Vorarlberg will den Personalstand aufstocken. Auch die Insolvenzen gehen zurück. Die hochgerechnete Insolvenzstatistik des KSV1870 zeigt für die ersten drei Quartale des Jahres 2017 einen Rückgang bei den Unternehmensinsolvenzen in Vorarlberg um neun Prozent. Die Passiva sind um rund 40 Prozent zurückgegangen.

Sorgen der Unternehmen

Aber es gibt auch Sorgen und Herausforderungen, welche die gute Lage und die optimistischen Aussichten trüben und Vorarlbergs Unternehmen in unterschiedlichen Ausmaßen zusetzen. Knapp 80 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie sich um den zunehmenden Fachkräftemangel und die Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit sorgen. Staatlicher Einfluss, Bürokratie und Überregulierungen werden von rund 70 Prozent als besondere Hemmnisse gesehen. Für 43 Prozent der befragten Unternehmen sind die steigenden Rohstoffpreise die größte Sorge.

Wirtschaftskammer-Präsident Hans Peter Metzler sieht die künftige Regierung gefordert: „Sie wird sich intensiv mit Entlastungsmaßnahmen auseinandersetzen müssen. Wir plädieren für eine Senkung der Steuer und Abgabenquote auf unter 40 Prozent. Notwendig ist zudem eine Steuerbefreiung für nicht entnommene Gewinne sowie die Einführung eines Investitionsfreibetrages und der vorzeitigen Abschreibung. Die Signale aus den Unternehmen sind jedenfalls eindeutig.“ Zu den Themen Fachkräfte und Digitalisierung meint Metzler: „Eine bundesweite Strategie zur Gewinnung von spezialisierten Fachkräften ist nun an der Zeit. Und an einem raschen flächendeckenden Ausbau eines 100 Mbit-Breitbandnetzes kommen wir nicht vorbei.“

Vorarlbergs Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich investiert. Das mag Grund dafür sein, dass die aktuelle Stimmung hinsichtlich Investitionen österreichweit etwas höher ist als bei uns. Dennoch plant beinahe jedes vierte Vorarlberger Unternehmen, das Investitionsvolumen zu erhöhen. Der Fokus liegt dabei eindeutig auf Ersatzinvestitionen (70 Prozent). Immerhin 44 Prozent beabsichtigen Neuinvestitionen mit Schwerpunkt Innovation und Digitalisierung. Bereiche, in denen Vorarlberg jetzt schon weiter ist als manch anderes Bundesland.

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