Sabine Barbisch

Qualifikationsstärke der Österreicher sichtbar machen

April 2016

Das kürzlich verabschiedete Gesetz zum Nationalen Qualifikationsrahmen regelt die Prozesse zur Einordnung der unterschiedlichen Bildungsabschlüsse in ein einheitliches Raster. Das bringt nicht nur Transparenz und internationale Vergleichbarkeit, auch die Qualifikationsstärke des Landes bekommt die Anerkennung, die sie längst verdient.

Auf die Frage, was sich mit dem Mitte März in Kraft getretenen „Bundesgesetz zum Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR)“ für die Österreicher ändert, antwortet Thomas Mayr vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) in Wien: „Unmittelbar nichts, denn das Gesetz strukturiert die Prozesse, wie Abschlüsse, die in unterschiedlichen Bildungssegmenten absolviert wurden, künftig in einem einheitlichem Rahmen organisiert werden.“ Anders gesagt bildet das Gesetz die Grundlage für die Zuordnung von Qualifikationen zu einer der acht Stufen des NQR. Und das ist ein längerer Prozess, dessen Effekte nicht sofort für die Menschen spürbar sind. Mittel- und langfristig stellt die Umsetzung des NQR aber eine wichtige Entwicklung für uns alle dar. „Damit haben wir ein Instrument, das es uns ermöglicht, Bildungsabschlüsse unabhängig davon, an welchem Institut oder in welchem Bildungssegment sie absolviert wurden, in einem einheitlichem Rahmen zuzuordnen. Für Österreich ist das eine völlig neue Perspektive“, beschreibt Mayr die Dimensionen.

Das Ziel des NQR ist die Abbildung der gesamten Qualifikationslandschaft Österreichs: Es sollen allgemeinbildende wie berufsbildende Qualifikationen aus allen Bildungsebenen und -Kontexten, also formale und nicht-formale, dargestellt werden. Der Hintergrund: Mit dem österreichischen NQR wird die vom Europäischen Rat und dem Parlament verabschiedete Empfehlung zur Errichtung eines Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen umgesetzt. Dessen Ziel ist die Schaffung von mehr Transparenz und einer besseren grenzüberschreitenden Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen. „Die Spielregeln, die von der EU definiert wurden, sind klar: Allgemein- und Berufsbildung sind gleichwertig, aber nicht gleichartig“, stellt Dr. Christoph Jenny, stv. Direktor der Wirtschaftskammer Vorarlberg, klar. Mayr führt aus: „Unterschiedliche Abschlüsse werden auf dem gleichen Qualifikationslevel eingestuft, weil sie im Kontext der jeweiligen Zielsetzung gleichwertig sind.“ Im Fächermodell des ibw wird beispielsweise vorgeschlagen, dass sich Lehrabschluss und AHS-Matura auf dem vierten Level wiederfinden, Bachelor und Meisterprüfung werden in dem Vorschlag auf Stufe sechs abgebildet.

Qualifikationsleitern für mehr Attraktivität

Warum das wichtig ist und was es mit Qualifikationsleitern auf sich hat, erklärt Thomas Mayr so: „In der allgemeinen und der Hochschulbildung ist klar: Nach der AHS macht man den Bachelor, dann den Master und schließlich den PhD. Diese Systematik ist allen Fächern gemeinsam.“ Das sei für die Lernenden eingängig und jeder wisse, wie das funktioniere. „Das Pendant im Bereich der Berufsbildung fehlt hingegen. Die Logik von Lehre, Meister, Bauhandwerkerschule, Fachakademie und WIFI-Weiterbildungen ist nicht so klar geregelt wie die auf Hochschulebene. Wir brauchen auch für die Berufsbildung durchgängige Qualifikationsleitern.“ Auch in diesem Kontext bietet die Umsetzung des NQR laut Mayr die „Chance auf mehr Sichtbarkeit für Abschlüsse“ und hilft „deren Wertigkeit darzustellen“. Das wiederum erhöhe die Attraktivität, „und absolvierte Berufsausbildungen werden endlich entsprechend ihres Wertes am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft abgebildet“.

Das sei wichtig, weil die „Qualifikationsstärke Österreichs deutlich unterschätzt wird. Hier bringt der NQR Transparenz und Wahrheit“, nennt Thomas Mayr vom ibw einen weiteren essenziellen Punkt. Davon kann die Wirtschaft profitieren. „HTL-Ingenieure gibt es beispielsweise nur in Österreich, auch den Meister kennt man nur in wenigen Ländern. Durch den NQR wird mehr Sichtbarkeit für diese Qualifzierungen geschaffen“, gibt Mayr ein Beispiel. Er ist sich sicher: „Das sorgt für eine Signalwirkung im Land, und die Mobilität wird über die Grenzen hinaus erhöht.“

Für Jenny ist das gerade im Hinblick auf die Vorarlberger Wirtschaft ein wichtiger Faktor: „Unsere Wirtschaft ist internatio­nal stark verflochten und agiert sehr exportorientiert. Die Unternehmen könnten hier stark profitieren, weil sie bei grenzüberschreitenden Ausschreibungen künftig einen Vorteil haben, wenn ein bestimmtes Qualifikationsniveau gefordert ist und das durch den NQR transparent und eindeutig dargestellt ist.“

 

Statements Qualifikationsstärke

Perrine Burtscher, Leitung Lehrlingswesen, Getzner Textil AG
Aus Sicht der ausbildenden Wirtschaft kann dieser Schritt nur begrüßt werden. Die Gleichstellung von Lehre und AHS-Matura im Sinne des NQR würde uns eine komplett neue Ansprache von potenziellen Lehrlingen ermöglichen. Als Ausbildungsbetrieb bietet sich uns eine erweiterte Zielgruppe von zukünftig benötigten Fachkräften. Dem speziell in Vorarlberg hohen Stellenwert der Lehrausbildung wird damit Rechnung getragen.“

Erich Lingenhöle, Gründer der Lingenhöle, Technologie GmbH
Der Nationale Qualifikationsrahmen leistet einen wichtigen Beitrag, wenn es um die längst verdiente Anerkennung der dualen Ausbildung geht.
Das ist essenziell für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts. Auch in der Erwachsenenbildung, Stichwort lebenslanges Lernen, eröffnet das neue Möglichkeiten.

Sabrina Schöch, Personalreferentin, Bachmann electronic
Die duale Ausbildung ist notwendiger denn je – ein Fundament, auf dem Bachmann electronic seit Anbeginn steht. Wir betrachten dieses neue Gesetz als klare Stärkung und verdienten Imagegewinn der Lehre. Der eingeschlagene Weg – speziell in Vorarlberg – hat sich einmal mehr als richtig erwiesen. Die Gleichstellung des Lehrabschlusses mit der AHS-Matura wäre ein wichtiger Schritt.

Gerald Spieler, Ausbildungsleiter ALPLA
Die Gleichstellung der AHS-Matura und der dualen Berufsausbildung würde die die Wichtigkeit der Lehre unterstreichen und wäre als Imagepflege zu bewerten. Vorarlberg ist von Industrie und Handwerk geprägt. Die duale Ausbildung ist die beste Antwort auf den Facharbeiterbedarf. Am wichtigsten ist, dass wir gemeinsam weiterhin an der Verbesserung der Ausbildung in den Betrieben und in den Berufsschulen arbeiten.“

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