Angelika Atzinger

* 1986 in Innsbruck, Studium Politikwissenschaft und Translationswissenschaften, seit 2012 in frauen- und mädchenspezifischen Kontexten und in der Erwachsenenbildung tätig, seit 1998 Geschäftsführung im Verein Amazone, der sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzt.

Interessiert, aber nicht involviert

März 2024

Zur politischen Partizipation von Mädchen und jungen Frauen in ländlichen Räumen.

Obwohl sich Mädchen und junge Frauen für politische Themen und gesellschaftliche Veränderung interessieren, können sich nur wenige von ihnen vorstellen, politisch aktiv zu sein, etwa ein politisches Amt zu übernehmen. Traditionelle Geschlechterrollenbilder und ungleich gestaltete Zugänge sind Gründe dafür. Sie wirken insbesondere in ländlichen Räumen. 

Noch immer sind Frauen in politischen Entscheidungsgremien unterrepräsentiert, vor allem auf kommunaler Ebene und speziell in ländlichen Regionen. Laut Österreichischem Gemeindebund gab es 2023 in Österreich erstmals mehr Bürgermeisterinnen als Bürgermeister mit dem Namen Franz oder Hans. Die Tendenz ist also steigend. Vorarlberg liegt aber deutlich unter dem österreichischen Schnitt von 10,5 Prozent: Hier stehen sieben Bürgermeisterinnen 89 Ortsvorstehern gegenüber.
Mangelndes Interesse und fehlendes Engagement können als Gründe nicht herangezogen werden: Aktuelle Erhebungen, wie von Gallup 2022, zeigen, dass Mädchen und junge Frauen in Österreich sehr wohl an politischen Themen interessiert sind. Laut einer Umfrage von Plan International halten es 96 Prozent von 1000 befragten Mädchen und jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren für wichtig, sich politisch zu engagieren, 88 Prozent haben sich bereits politisch engagiert. 
Während diese Ergebnisse weltweit ähnlich sind, fällt auf, dass die geplante oder umgesetzte aktive Beteiligung in Österreich deutlich niedriger ist. Nur 18 Prozent glauben, dass Politiker und Politikerinnen die Ansichten von jungen Frauen kennen und nur sieben Prozent geben an, dass sie mit den Entscheidungen der Politik zufrieden sind. Nur zwölf Prozent können sich vorstellen, für ein politisches Amt zu kandidieren; allerdings wurde eine von fünf Befragten bereits durch persönliche Erfahrungen entmutigt, sich politisch zu engagieren. 
Diese Ergebnisse decken sich mit Erfahrungen, die der Verein Amazone in seiner Arbeit seit vielen Jahren macht: Mädchen und junge Frauen sind interessiert und engagiert, finden aber wenig Möglichkeiten politischer Teilhabe in ihren Alltagswelten vor, denn nach wie vor sind Partizipationsstrukturen, insbesondere in ländlichen Räumen, auf Männer ausgerichtet. 
Fehlende Mitgestaltungsmöglichkeiten und Beteiligungsstrukturen für Frauen, vorherrschende Geschlechterklischees und Sexismus sind vielen zivilgesellschaftlich und politisch Agierenden wenig bewusst – dies wirkt sich dahingehend aus, dass Mädchen und junge Frauen weniger Potenzial für sich und ihre Lebenskonzepte entwickeln können. Zudem wirken traditionelle Rollenbilder schon in früher Kindheit und beeinflussen Lebens- und Karrierevorstellungen.
Dabei ist die Abwanderung aus ländlichen Regionen gerade von jungen Frauen seit vielen Jahren ein medial stark diskutiertes Thema. Unzureichende Infrastruktur – etwa im Bereich Arbeitsplätze, Kinderbetreuung und Mobilität – ist hier sicherlich ein starkes Motiv, aber auch traditionelle Geschlechter- und Familienbilder sowie unzureichende Entwicklungsmöglichkeiten spielen laut Experten und Expertinnen eine wesentliche Rolle.
Handlungsansätze, um politische Partizipation von jungen Frauen zu fördern, müssen vielschichtig und vielfältig sein: Einerseits geht es darum, förderliche strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa Vereinbarkeitsmodelle für Politikerinnen. Weiters muss es darum gehen, niederschwellige Partizipationsmöglichkeiten bereits im Kinder- und Jugendalter zur Verfügung zu stellen und Politik überall dort zum Thema zu machen, wo sich Mädchen aufhalten. Dabei sind Räume für Austausch, Diskussionen auf Augenhöhe und das Ernstnehmen geschlechtsspezifischer Aspekte wesentlich. Auch entsprechende Vorbilder sind wichtig, denn der Austausch mit ihnen motiviert und inspiriert. Gerade in ländlichen Regionen brauchen Mädchen und junge Frauen Angebote, die sie in ihrer Selbstbestimmung fördern und sie zu individuellen Lebensentwürfen ermutigen.
Im Rahmen des Projekts „Rollen im Wandel“ setzt der Verein Amazone gemeinsam mit femail – FrauenInformationszentrum Vorarlberg, Vorarlberger Familienverband und Regionalentwicklung Vorarlberg Angebote in ländlichen Regionen, die tradierte Geschlechterrollenbilder in Frage stellen und Alternativen eröffnen. Im Rahmen des Projekts werden neben Empowerment-Formaten für Mädchen und junge Frauen auch sensibilisierende Maßnahmen für Menschen aller Altersgruppen umgesetzt. Das braucht es, denn Hindernisse und Hürden, mit denen junge Frauen in ihrem Alltag konfrontiert sind, sind den politischen Entscheidungstragenden nach wie vor wenig bewusst.

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