Alexandra Wölfle
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„Was, Social Media? Geh’ arbeiten!“

Oktober 2018

Influencer spielen eine zunehmend große Rolle in den Sozialen Medien und in der Werbebranche. Auch wenn dieser Beruf noch vielen unbekannt ist und das Phänomen neu erscheinen mag, findet man die Ursprünge der Influencer schon im 18. Jahrhundert.

Der bekannteste Influencer Vorarlbergs ist Autor von zwei Fitnessbüchern, Gewinner des „Austrian Video Awards 2017“ im Bereich Sport und Gründer eines Unternehmens. Die Zahl an Menschen, die ihm allein auf Instagram folgen, ist nahezu ident mit der Einwohnerzahl Vorarlbergs. Trotzdem ist nicht nur er, sondern auch seine Berufsbezeichnung dem Großteil der Bevölkerung nicht geläufig. Das zeigt eine Online-Umfrage. Den Menschen wurde die Frage gestellt: „Folgen Sie österreichischen Influencern?“ Anstatt einfach mit „Ja“ oder „Nein“ zu antworten, wie in dieser Situation hätte erwartet werden können, drehte die Mehrheit der Befragten (42 Prozent) den Spieß um – und stellte prompt die Gegenfrage: „Was sind Influencer?“ 

Rein von der Wortbedeutung des englischen Ausdrucks her ist ein Influencer ein „Beeinflusser“. Trotzdem ist nicht jeder Mensch, der irgendjemanden oder irgendetwas auf irgendeine Art beeinflusst, gleich ein Influencer. Um dieser Bezeichnung gerecht zu werden, bedarf es mehrerer Kriterien: Einerseits muss man aufgrund starker Präsenz in einem oder gar mehreren sozialen Netzwerken eine breite Masse an Menschen erreichen – teilweise setzen Experten die benötigte Follower-Anzahl, um als Influencer zu gelten, auf Minimum 10.000. Andererseits muss der Influencer per Definition diese große Reichweite dazu nutzen, um mit Marken zusammenzuarbeiten und deren Produkte beziehungsweise Service zu bewerben oder öffentlich zu bewerten.

Während diese relativ eng gesteckte Definitionsweise das Aufkommen des „Influencertums“ auf die vergangenen paar Jahre beschränkt, kann man andere Meinungsmacher schon in das 18. Jahrhundert zurückdatieren. Damals kam der Porzellanmanufakturist Josiah Wedgwood auf die zündende Idee, besondere Personen für die Verbreitung seiner Unternehmensbotschaften zu nutzen, und zu diesem Zweck niemand geringeren als die britische Königsfamilie auswählte. Somit könnten die Royals praktisch als die ersten Influencer in der Geschichte der Menschheit betrachtet werden. Zwei Jahrhunderte später – in den 1980er- und 1990er-Jahren – wurden Markenbotschafter abermals populär. 

Unzählige Sänger, Schauspieler und Sportler wurden in Werbespots eingesetzt oder nutzten Produkte in der Öffentlichkeit. Der die Pepsi-Generation besingende Michael Jackson war auf diese Weise ein Muster-Influencer der Achtziger. Der große Unterschied zu heute besteht aber darin, dass damals nur Personen Influencer werden konnten, die durch klassische Medien schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hatten, während heute keine Sing-, Schauspiel- oder sonstige klar definierbare Tätigkeit vorausgesetzt ist. Aus diesem Grund wird der Berufsstand der Influencer oft als eher arbeitsscheu angesehen. Auch der zu Beginn beschriebene bekannteste Influencer Vor­arlbergs, Simon Mathis, legte in einem Interview die Reaktion seiner Großmutter auf seine Berufswahl dar: „Was, Social Media? Geh’ arbeiten!“
Der durchschnittliche Influencer entspricht aber nicht diesem Bild: Zwei Drittel üben „Beeinflussung“ nicht hauptberuflich aus, sondern sehen sie nur als Chance, sich ein kleines (in manchen Fällen auch eher großes) Taschengeld dazuzuverdienen. Trotzdem investiert der typische Influencer auf Instagram etwa eineinhalb Stunden täglich in seinen Auftritt in dem sozialen Netzwerk. Die Inhalte, die dabei produziert werden, sind meist sehr gemischt. 

„Es ist wie ein Tagebuch, in dem ich meine Follower mit durch meinen Alltag nehme“, erklärt Caro Daur, eine der bekanntesten deutschen Influencer, ihr Konzept. Trotzdem lassen sich gewisse Themenbereiche eingrenzen, die häufig in Posts zu finden sind. „Fitness, Ernährung, Beauty, Lifestyle. Das sind alles Themen, bei denen wir als Menschen auch ein hohes persönliches Interesse aufbringen“, erläutert Katja Albrecht von der Digitalagentur „ECX.IO“. Die wesentliche Aufgabe in diesem Beruf besteht darin, Produkte beziehungsweise Dienstleistungen der Sponsoren an den Mann zu bringen. Das funktioniert grundsätzlich über das Prinzip der Mundpropaganda, in diesem Falle aber nicht mündlich, sondern über Chats und Verlinkungen. Die Werbung macht meist weniger als die Hälfte der Postings eines Influencers aus, scheint sich aber trotzdem zu lohnen: 72 Prozent der 15- bis 29-Jährigen vertrauen eigenen Angaben zufolge den Empfehlungen von Influencern bei Kaufentscheidungen.

Allerdings sollte nicht jede Aussage eines Influencers für bare Münze genommen werden: 21 Prozent gaben in einer anonymen Umfrage selbst zu, auch unlautere Mittel einzusetzen, beispielsweise den Kauf von Followern. Zusätzlich stehen Influencer häufig in der Kritik, Schleichwerbung zu verbreiten, indem Werbemaßnahmen nicht klar gekennzeichnet werden und so ihr werbender Charakter von den Angesprochenen nicht erkannt wird. Problematisch ist zudem, dass selbst enorm einflussreiche Influencer sich ihrer großen Wirkkraft und damit einhergehenden Verantwortung bisweilen nicht bewusst sind. Caro Daur, der auf Instagram über eineinhalb Millionen Menschen folgen, hat das Ausmaß ihres Einflusses noch nicht realisiert: „Verantwortung ist ein großes Wort. Für mich ist es nach wie vor surreal, wenn Leute mich als Vorbild nehmen, oder jemand zu mir kommt und mir sagt, wie stark ich ihn beeinflusse.“ Es fehlt also scheinbar nicht nur den Beeinflussten, sondern auch vielen Beeinflussern an Erfahrung …

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