Durchschaubar mies

Es gibt gute Wahlslogans, schlechtere und ganz schlechte – aber selbst unter letztgenannten ist Kanzler Kerns „Holt Euch, was Euch zusteht“ bemerkenswert dumm. Egal, wie man die wenigen Worte nun dreht und wendet. Wer soll sich denn bitteschön was holen? Und von wem? Im Übrigen stellt sich die Sozialdemokratie mit nur einer Handvoll Worte auch selbst das denkbar schlechteste Zeugnis aus: Wenn sich der Bürger nun holen kann, was ihm zusteht, dann heißt das im Umkehrschluss ja auch, dass das ihm Zustehende zuvor vorenthalten worden ist – in einem Land, in dem die SPÖ seit zehn Jahren den Kanzler stellt. Heißt „Holt Euch, was Euch zusteht“ also nur „Entschuldigung, wir haben Euch zu viel weggenommen?“

Der Slogan offenbart auch ein altes, recht widerliches Verständnis von Politik: Der Politiker gibt den edlen Spender, der allerdings nicht sein eigenes, sondern das Geld der Steuerzahler verteilt, der Bürger wird zum Almosenempfänger degradiert. Mit Steuergeld winken, um sich Stimmen zu erkaufen, ein durchschaubar mieses Spiel. Hemingway hat einmal gesagt: „Man braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen, fünfzig, um schweigen zu lernen.“ Das gilt dann wohl auch für die Wahlwerbung: Kein Slogan wäre wesentlich besser gewesen.