Amelie Baschnegger

BUS:Stop Krumbach – Mehr als nur „Bushüsle“

Februar 2015

In der Tausend-Einwohner-Gemeinde Krumbach im Bregenzerwald verkehren die gelben Landbusse stündlich – von jeder Richtung, in jede Richtung. Das ist unüblich für den ländlichen Raum. Obwohl die Kosten für den Betrieb hoch sind, wissen die Einwohner der Gemeinde das zu schätzen. Sie setzen auch ein sichtbares Zeichen: Mitten im Dorf entstand ein von den regionalen Architekten Bernardo Bader, René Bechter und Hermann Kaufmann geplantes zentrales Busterminal. Doch damit nicht genug: Die engagierten Mitglieder des Vereins „kultur krumbach“ dachten sich: Warum nicht nach den Sternen greifen? Warum nicht über die Grenzen blicken und die Welt nach Krumbach einladen?

Sieben BUS:STOPs, geplant von sieben Architekten aus aller Welt – von Chile über Belgien bis Japan –, sollten in der Region Aufmerksamkeit für die funktionierende Alltagsmobilität und die dadurch hohe Lebensqualität bringen. Umso mehr überraschte, dass alle Architekten die Einladung, ein „Bushüsle“ zu entwerfen, annahmen und bei „study trips“ – organisiert von Architektin Marina Hämmerle – nicht nur Land und Leute kennenlernten, sondern weitaus mehr: die Bregenzerwälder Gastfreundschaft, traditionelles Handwerk, moderne Architektur und mutige Bürger. Die „Rising Stars“ der internationalen Architekturszene – Pritzkerpreisträger Wang Shu oder Sou Fujimoto und Smilian Radic, die Gestalter des Pavillons der Londoner „Serpentine Gallery“, um nur einige klingende Namen zu nennen – waren sofort fasziniert, ließen das Erlebte und Gesehene in Form- und Materialwahl in ihre „Bushüsle“-Entwürfe einfließen. Der Rest ist Geschichte: Krumbach ist weit mehr gelungen, als sieben internationale Architekten ins Dorf zu holen, die sieben individuelle Buswartehäuschen planten. Krumbach und die BUS:STOPs gingen und gehen um die Welt. Die unübliche Kombination von Mobilität, internationaler Architektur, tief verwurzelten Traditionen, regionalem Handwerk und Moderne hat Einzigartiges geschaffen, weltweit für Gesprächsstoff gesorgt und Krumbach als welt-offene und mutige Gemeinde präsentiert.

Gemeinsam erarbeitet = doppelte Freude

Nie hätten die Verantwortlichen bei der Ideenfindung mit einem dermaßen medialen Echo, dem Gewinn von etlichen wichtigen Preisen und einer weltweiten Welle der Begeisterung gerechnet. Denn zu Beginn des Projekts galt es zuallererst, essenzielle Fragen zu beantworten: Wie die Bevölkerung von den mutigen Eingriffen ins Ortsbild überzeugen? Wie die internationalen Architekten sowie die eingesetzten Materialien bezahlen? Die Antworten sind beispielhaft für die Kraft des gemeinsamen Tuns: Das Projekt BUS:STOP ist gelungen, weil über 300 Personen es auf großzügigste Weise unterstützten – mit ihrer qualitativ hochwertigen Arbeit, mit ihrer finanziellen Hilfe, mit ihrem unermüdlichen Engagement und der grenzenlosen Begeisterung und Freude an der gemeinsamen Umsetzung. Die Bevölkerung – von Beginn an über das Vorhaben informiert – nahm offen und lebhaft am Entstehungsprozess teil und feierte jedes einzelne der „Bushüsle“ mit einem Richtfest – so wie es sich im Wald gehört. Bregenzerwälder Gastronomiebetriebe verpflegten die Architekten nicht nur kostenlos, sie stellten ihnen auch Urlaubsaufenthalte zur Verfügung – als Honorar. Die Gemeindevertretung stand geschlossen hinter dem Projekt und Bürgermeister Arnold Hirschbühl. Sogar das Abstimmungsergebnis über den gewagtesten aller BUS:STOPs, den „Stangenwald“ von Sou Fujimoto, war einstimmig. Die über 18 Tonnen Stahl konnten geliefert werden – von großzügigen Firmensponsoren, die das notwendige Material wie Stahl, Holz oder Beton gratis zur Verfügung stellten.

Mittendrin statt nur dabei

Die Mitarbeiter namhafter regionaler Architekturbüros – den internationalen Architekten betreuend zur Seite gestellt und bei der Ausführung vor Ort unterstützend – erstellten nicht nur in der Modellwerkstatt Modelle der finalen Entwürfe im Maßstab 1 zu 7,5, für die Präsentation des Projekts im Bregenzer Kunsthaus, sie griffen auch selbst zu Hammer und Nagel. Das Büro Dietrich|Untertrifaller beispielsweise – Partnerarchitekten des spanischen Studio Ensamble (Débora Mesa und Antón García Abril) – baute gemeinsam mit den Zimmerern von Harald Berchtold, Schwarzenberg, aus unbehandelten Eichenbrettern das Buswartehäuschen in Unterkrumbach. Die an den sieben BUS:STOPs mitarbeitenden regionalen Handwerker – Zimmerer, Tischler, Schindler, Spengler, Maler und viele mehr – arbeiteten dabei weit unter ihren üblichen Stundensätzen, großenteils kostenlos und vor allem in ihrer Freizeit.

BUS:STOP geht um die Welt

Bei der offiziellen Eröffnung im Mai 2014 in Krumbach wurde die Einigkeit abermals deutlich: Die Bevölkerung feiert „ihre Bushüsle“, die Kinder der Krumbacher Volksschule und des Kindergartens singen ein eigens getextetes Lied, der Musikverein Krumbach spielt „Bus Stop“ von The Hollies. Regionale Partnerarchitekten sind genauso anwesend wie Sponsoren und ausführende Handwerker und einige der BUS:STOP-Architekten wie Alexander Brodsky (Russland) oder Jan De Vylder und Inge Vinck (Belgien). Auch die Öffentlichkeit hat Gelegenheit, sich von den sieben individuellen Buswartehäuschen ein Bild zu machen – und das nicht nur bei Führungen vor Ort: Im vai, dem Vorarlberger Architektur Institut in Dornbirn, dokumentierte die Ausstellung das Projekt mit den sieben Modellen sowie mit eindrücklichem Film- und Bildmaterial von Konstantin Ammann (schauwerk) und Fotograf Adolf Bereuter. Die Ausstellung zog im Oktober 2014 nach Wien weiter, im März/April 2015 soll sie in Tallinn, Estland, Station machen. Im Architekturzentrum Wien (AzW) – Direktor Dietmar Steiner ist Kurator des Projekts BUS:STOP – begeisterten die BUS:STOPs die zahlreichen Besucher, aber auch, wie schon die vielen Monate zuvor, die nationalen und internationalen Medienvertreter. Die Liste der erschienenen Zeitungs- und Webartikel, Fernsehberichte oder Blogbeiträge umfasst nicht nur weit über 500 Einträge, sie liest sich auch wie das Who’s who der internationalen Medienwelt: CNN International, Wallpaper UK, Singapore Airlines Bordmagazin, ARD, ORF, Dezeen, Der Spiegel, Häuser, Home, GEO Russland, alle namhaften Architektur-Publikationen der Welt und viele mehr. Ebenso verhält es sich mit den bisher erhaltenen Auszeichnungen und Preisen: Neben dem Tourismus-Innovationspreis des Landes Vorarlberg wurde BUS:STOP bei den Iconic Awards 2014 in München mit dem Preis „Architects’ Client of the Year“ von der Jury gewürdigt. Darüber hinaus konnten die Verantwortlichen gleich zwei österreichische Staatspreise entgegennehmen, überreicht von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner: den Sonderpreis der Jury im Rahmen der Verleihung des Staatspreises für Architektur sowie den Staatspreis für Public Relations.

Der Name Krumbach und die BUS:STOPs gingen und gehen um die Welt. Die große Nachfrage nach Führungen, die Medienanfragen aus aller Welt und Vor-Ort-Besuche internationaler Studentengruppen reißen nicht ab. Um es mit den Worten von Dietmar Steiner, Kurator des Projekts BUS:STOP und Direktor des Architekturzentrums Wien, auf den Punkt zu bringen: „BUS:STOP Krumbach hat jetzt schon Architektur-geschichte geschrieben.“

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