Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Füdelewirt“ Gasthaus Lingg

Juli 2025

„Von Wirten und Zechern“ ist der Titel eines vom Schattenburgmuseum Feldkirch herausgegebenen 530 Seiten starken Bandes, der die Geschichte der traditionsreichen Gasthäuser der Stadt beleuchtet. Herausgeber ist Professor Manfred A. Getzner. Ein Auszug.

Im ersten Stock dieses geräumigen Gebäudes befand sich das Atelier des bekannten Feldkircher Malers Josef Bucher (1820-1883). Dieser Jünger der Lukasgilde war der Schwiegersohn des sehr wohlhabenden Kaufmannes Andreas Griss, dessen Tochter Kreszenz er gefreit hatte. Der im Hause seines Schwiegervaters in der Kreuzgasse seit den frühen 1850er-Jahren untergebrachte Arbeitsraum Buchers war gleichzeitig ein kleines Museum mit Kunstgegenständen erlesenster Art. Auch Josef Huber (1858-1932), später Professor für kirchliche Monumentalmalerei in Düsseldorf, führte hier seine ersten Arbeiten aus.
In den Räumlichkeiten dieses früheren Malerateliers eröffnete der Weinhändler Eduard Lingg d. Ä. im Jahre 1878 die nach ihm benannte Gaststätte mit einer Weinhandlung und einer Branntweinbrennerei. Der neue Inhaber des Hauses war ein Bruder des Bäckermeisters Josef Lingg, dessen Laden in anrainender Nachbarschaft (Kreuzgasse 12) betrieben wurde und der seit 1864 neben der Bäckerei auch die Erlaubnis zum Betrieb einer Wirtschaft erhielt. Die Vorfahren des anfänglichen Pächters des Gasthauses in der Kreuzgasse stammten aus dem Bregenzerwald, er selbst aus Schaan im Fürstentum Liechtenstein. Das Haus kam im Jahre 1871 auf dem Erbwege von Andreas Griss an seine Tochter Kreszenz Bucher. Die Frau des Kunstmalers veräußerte ihr väterliches Erbe wiederum an Josef Wegeler, von ihm erwarb es schließlich am 4. Juni 1886 Eduard Lingg d. J. um 15.000 Gulden.
Nach seinem Kriegsdienst übernahm der 1894 geborene Sohn Eduard Lingg d. J. die Führung des Traditionshauses, das unter seiner Ägide 1933 umgebaut und erweitert wurde. Nach dem Tod der Eltern übernahm wiederum deren Tochter Lotte das Szepter, die gemeinsam mit ihrem Mann und Küchenchef Wilfried Otto auf eine begeisterte Stammkundschaft zählen konnte. Auch Vereine – wie beispielsweise die Feldkircher Liedertafel – unterhielten von nun an im „Lingg“ ihre regelmäßigen Stammtische. An weiteren Umbauten vermerkt die Chronik die Jahre 1964 und schließlich den noch nach Plänen des Architekten Hugo Purtscher erfolgten Umbau von 1973.
Auch in kunsthistorischer Hinsicht ist das Gasthaus Lingg von einigem Interesse. Bemerkenswert ist einmal die altdeutsche Weinstube im 1. Stock mit originaler historischer Ausstattung, andererseits aber auch die 1888 entstandene Fassadenmalerei an der Außenwand auf der Marktplatzseite. Die Komposition der Wandmalerei mit ihren Grotesken und Putten verdanken wir dem Pinsel des damals noch jungen Meisters Florus Scheel dem Älteren. Es war sein erster größerer Auftrag.
Die mündliche Überlieferung weiß zu berichten, dass einer der vier im Rahmen der festlichen Feldkircher Fronleichnamsprozession errichteten Altäre seinen Standort früher stets vor dem Gasthaus Lingg hatte. An diesem hohen Festtage habe sich die fromme Gepflogenheit allerdings sehr hemmend auf den Zustrom der Lokalbesucher ausgewirkt, drohte er doch beinahe zu versiegen. Die gastronomisch wenig erfreuliche Situation habe sich aber seit der Anbringung des Freskos mit den splitternackten Putten gebessert, da sie einen Standortwechsel des geschäftsschädigenden Altares auf eine geradezu provozierende Weise erzwang. Nun stellte sich auch am Fronleichnamstage wiederum ein lebhafter Zulauf an Gästen ein. Für den originellen Einfall musste sich der schlaue Gastgeber allerdings das respektlose Epitheton „Füdelewirt“ gefallen lassen. Steigende Einnahmen sollen ihn aber darüber hinweggetröstet haben.
Den „unkeuschen“ Knaben der Wandmalerei rückte man in der Folge energisch zu Leibe, verpasste ihnen doch die kunstreiche Hand eines eigens dafür bestellten Malers vor aller Welt eine züchtige Kleidung. Sehr zart fühlende Gemüter soll sie noch heute besänftigen. Und im traditionsreichen Lingg erfreuen sich Gäste bis heute mit Schmunzeln an dieser Geschichte.
Ehemalige Eigentümer, Leiter oder Pächter: Eduard Lingg I (1878 bis 1914), Anna Lingg (1914 bis ?), Eduard Lingg II (1921 bis 1957), Wilfried Otto (1949 bis 1969), Liselotte Otto später verh. Heinzle (1962 bis 1965, 1968 bis 1971), Klaus-Dieter Otto (1992-2003), Familie Hamidi (GF: Sadih Kastrataj) bis heute.

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„Von Wirten und Zechern – alte Gaststätten in Feldkirch und ihre Geschichten“, 536 Seiten, über 400 Abbildungen, erhältlich im Schattenburgmuseum und im Feldkircher Buchhandel, Gestaltung: Martin Caldonazzi

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