Wir sind alle Historiker

Vor allem dann, wenn in traditionsreichen Unternehmen ein Jubiläum – der 10., 50. oder gar 100. Geburtstag – ansteht, besinnt sich die Geschäftsführung seiner Geschichte. Hastig erhält die Marketingabteilung den Auftrag, die Erfolgsgeschichte möglichst knackig zusammenzuschreiben und alte Fotos zu suchen, die Emotionen wecken. Bei einer großen Feier mit Kunden und Partnern wird sie dann – quasi zwischen Buffet und Feuerwerk – präsentiert. Ist der Festakt vorbei, verschwindet bald auch die Historie wieder in der Schublade – zu Unrecht, meiner Meinung nach.

Die individuelle Unternehmensgeschichte ist eine wertvolle Ressource, die die tägliche Arbeit enorm bereichert: Gegenüber Mitbewerbern bietet sie ein klares Unterscheidungsmerkmal und für die Mitarbeiter eine gemeinsame Identifikationsmöglichkeit. Darüber hinaus zeigt der Blick in die Geschichte, wie das Unternehmen bisher Qualität verstanden und Entscheidungen getroffen hat, aber auch, wie es mit Herausforderungen umgegangen ist. Diese Betrachtung des großen Ganzen kann insbesondere in Zeiten, die schwierig erscheinen und den Mitarbeitern viel abverlangen, hilfreich sein. Manch aktuelle Herausforderung wird aus diesem Blickwinkel he­raus als Teil der fortschreitenden Erfolgsgeschichte besser begreifbar.

Ich wünsche mir, dass mehr Unternehmen ihre Geschichte in die tägliche Arbeit einbinden. Denn privat denken wir jeden Tag wie Historiker: Steht eine konkrete Entscheidung an, dann treffen wir sie auf Basis eigener vergangener Erfahrungen und im Wissen darum, was bisher war – das zumindest behaupten die Unternehmenshistoriker Seaman und Smith in der Harvard Business Review. Lassen wir daher die Unternehmensgeschichte nicht nur Teil einer Jubiläumsfeier sein, sondern Ankerpunkt bei der täglichen Arbeit!

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