J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Sie sind angekommen – werden sie bleiben?

März 2015

Neozoen bereichern die heimische Tierwelt – doch nicht jeder Einwanderer ist willkommen.

Nilgänse in Vorarlberg – und mitten im Winter haben sie gebrütet! Eine herzige Familie mit ursprünglich elf Küken ist eines Tages Ende Jänner aus dem Entenhäuschen gekommen. Drei Jungtiere haben einer Katze geschmeckt, aber der restliche Nachwuchs wird von den Eltern fürsorglich verteidigt. Ornithologen werten die erfolgreiche Fortpflanzung als kleine Sensation: Erst zum dritten Mal konnte in Österreich eine Brut dokumentiert werden. Der Erstnachweis gelang vor zwei Jahren an einem Baggersee in unmittelbarer Nachbarschaft – möglicherweise waren es dieselben Elterntiere, die damals erstmals in Österreich Junge aufgezogen haben. Doch in die anfängliche Freude mischen sich schwere Bedenken: Die Nilgans gilt als invasive Art, und es besteht die Gefahr, dass sie andere Vögel verdrängt. Denn Nilgänse verteidigen ihr Territorium aggressiv. In der Brutsaison dulden sie keine anderen Entenvögel in der Nähe ihres Nests, und auch in der übrigen Zeit tun Wasservögel gut daran, ihnen nicht zu nahe zu kommen. Selbst Menschen versuchen sie zu verjagen.

Nilgänse stammen nicht nur vom Nil. Die Art ist in fast ganz Afrika anzutreffen. Die attraktiven Tiere wurden bereits in der Antike von Griechen und Römern als Ziergeflügel genutzt – eine (Un-)Sitte, die im 17. und 18. Jahrhundert wieder aufgenommen wurde. Die Vögel wurden nun in Parks, Menagerien und auch in Zoos gehalten und gezüchtet. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Großbritannien eine freilebende Brutpopulation. In Mitteleuropa wurden brütende Gefangenschaftsflüchtlinge erstmals Ende der 1960er-Jahre in den Niederlanden gesichtet. Der erste Brutnachweis in Deutschland erfolgte 1986. Seither breitet sich die Art über ganz Deutschland aus. In mehreren Bundesländern muss sie inzwischen als bodenständig betrachtet werden. Ob sich die Art in Vorarlberg halten kann, wird die Zukunft zeigen.

Die Nilgänse gehören zu jenen Tierarten, die vom Menschen bewusst und in gutem Glauben nach Europa geholt wurden. Nur wenige dieser Arten fühlen sich in Freiheit wohl und erobern den neuen Lebensraum – dann aber umso erfolgreicher. Andere Arten profitieren vom Klimawandel. Milde Winter lassen sie nach Norden in Gebiete vordringen, in denen sie noch vor wenigen Jahrzehnten nie vermutet worden wären.

Eine dieser Arten ist Mildes Dornfingerspinne. Die Alpen hat die ursprünglich im Mittelmeerraum heimische Spinne im Westen umgangen – gelegentlich wohl auch über kurze Distanzen „per Anhalter“. Ausgehend vom wärmebegünstigten Oberrhein breitet sie sich nun rheinaufwärts nach Osten aus. Das erste Vorarlberger Exemplar des „kleinen Bruders“ der berüchtigten Ammen-Dornfingerspinne (die bei uns übrigens nicht vorkommt) wurde im Juli 2006 in Bregenz gefangen. Seither registriert die inatura immer wieder vereinzelte Meldungen. Wahrscheinlich ist diese Spinnenart aber weiter verbreitet, als es die wenigen dokumentierten Beobachtungen vermuten lassen. Während die großen, behaarten, aber harmlosen Winkelspinnen immer wieder für Panikattacken sorgen, fallen die kleinen, grünlich-gelb gefärbten Dornfingerspinnen kaum auf. Umso schmerzhafter kann dann eine Begegnung mit ihnen werden.

Die Dornfingerspinnen dringen gelegentlich in Wohnräume vor. Tagsüber verstecken sie sich. In der Nacht jagen sie, und wenn sich so eine Spinne ins Bett verirrt, kann es zu Wehrbissen kommen. Der Biss ist einem Bienen- oder Wespenstich vergleichbar: Lokaler Schmerz, Rötung, Schwellung oder auch Gefühllosigkeit sind die Folge. Die Vergiftung kann Fieber, Übelkeit und Kopfschmerzen auslösen. Die Symptome verschwinden oft schon nach einem Tag, selten halten sie zwei bis drei Wochen an. Die Bissstelle lässt man am besten unbehandelt. Nur sekundäre Infektionen sollen nach Rücksprache mit dem Arzt mit Antibiotika behandelt werden.

Die meisten tierischen Einwanderer sind bestens integriert und eine wertvolle Bereicherung. Manche sind so alltäglich, dass wir sie nicht mehr als Zuwanderer wahrnehmen. Andere bekommen wir kaum zu Gesicht. Nur wenige Arten bereiten Probleme. Ihnen muss unser Hauptaugenmerk gelten. Doch nie dürfen diese „Problemarten“ Anlass sein, alle Neozoen pauschal zu verurteilen und zu bekämpfen.

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