Petra R. Klose

Kulturmanagerin

© Foto: Aipperspach

Das erwartet Unerwartete als Geschäftsmodell

November 2022

Sehnen Sie sich manchmal nach einer Überraschung? Das, was Produkte wie chinesische Glückskekse, Überraschungseier und der gute alte Lottoschein im Kleinen können, nämlich dem Unerwarteten eine Chance geben, vermag die Kunst im Großen. Sie gibt uns die Möglichkeit Türen zu neuen, aufregenden, bis dato unvorstellbaren Räumen zu öffnen.
Das durch schöpferische Kraft hervorgebrachte Unerwartete ist längst zum Geschäftsmodell geworden. Wir kaufen ein Ticket für etwas, von dem wir erwarten, dass wir etwas Unerwartetes erleben werden. So sind Vorstellungen von sogenannten Enfants Terribles der Kulturszene stets ein Garant für ausverkaufte Säle. Auch die älteste internationale Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die Biennale Venedig, feiert dieses Jahr unter dem Titel „The Milk of Dreams“ das Leben als konstante Neuerfindung durch das Prisma der Kunst. Im dortigen Österreich Pavillon überrascht das Duo Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl mit spielerisch erfahrbaren Räumen, in denen sich die Betrachter:innen selbst als Akteur:innen wieder finden.
Weshalb diese Tendenz in der Kunst? Ist uns in unserem digitalisierten Alltag die Intensität abhandengekommen? Oder warum sehnen wir uns ausgerechnet jetzt, in Zeiten enormer Instabilität, so sehr nach dem Unerwarteten? Die Antwort ist einfach: Weil wir gerade jetzt die Kunst benötigen, um mit Phantasie Neues zu wagen.
Und für all jene, denen beim Gedanken, dem Unbekannten Türen zu öffnen, noch immer mulmig wird, lockt schon bald wieder die weitaus weniger risikoreiche Variante: der Adventskalender mit seinen 24 Türchen. Ich empfehle, hinter dem einen oder anderen eine Theaterkarte, ein Museumsticket oder einen Buchgutschein zu verstecken. Überraschen Sie sich selbst!