Wilma Schneller

Bibliothekarin, Obfrau des Bibliotheksverbandes Vorarlberg

 

Lesen ohne Limit

April 2020

Die Meldungen haben sich von Stunde zu Stunde überschlagen. „Ab Mittwoch macht alles dicht!“ Mein erster Gedanke galt ausreichendem Lesestoff. Und genau das dachten sich dann auch unsere Leserinnen und Leser und stürmten noch schnell die Bibliothek. Stapelweise wurden Bücher ausgeliehen, egal, ob groß, klein, dick oder dünn. Mit dabei war jedoch keines über ein niedliches kleines Nagetier, welches sich die Backen bis zum Anschlag vollstopft. Geplatzt sind dann auch nicht die Backen, sondern die Nähte einer großen Stofftasche, welche noch zu klein war für all das Lesefutter. Die Regale wurden nahezu leer geräumt, guter Lesestoff war angesagt. Die Qualität war schlussendlich nicht mehr ganz so wichtig – die Anzahl der Bücher musste stimmen. Die Frage, ob überhaupt noch gelesen wird, stellt sich in diesen Tagen nicht. Vielerorts und mit großem Genuss wird vor-, gemeinsam oder „einsam“ gelesen. Denn, was mache ich mit all meiner Zeit? Die Freunde bleiben zuhause, die Nachbarn grüßen wir nur aus der Ferne, die Fenster sind auch schon geputzt. Wie wär’s mit einem Rendezvous, Frau Rowling? Ich hab’s mir bereits vor zwei Jahren versprochen, ich lese sie wieder – alle Bände. Nun bin ich schon beim fünften. 956 Seiten geballte Magie und eine abenteuerliche Reise ins Ungewisse. Herausgerissen aus dem Alltag, hineingefallen in die Seite 586 – kurz vor den ZAG-Prüfungen. Die Hände tun mir vom Halten schon weh, ich suche eine angenehmere Leseposition und weiter im Text. Lesen ohne Limit, mitten unter der Woche, am helllichten Nachmittag, Zuhause, in der Hängematte – stundenlang.