Sabine Barbisch

Andreas Wendels Mission im Silicon Valley: Mehr Sicherheit für autonome Fahrzeuge

November 2017

Silicon Valley in Kalifornien ist der weltweit bedeutendste Standort der IT- und High-Tech-Industrie und seit vier Jahren Lebensmittelpunkt des gebürtigen Feldkirchers Andreas Wendel. Sein Job ist es, autonomen Fahrzeugen „das Sehen“ beizubringen. Im Gespräch mit „Thema Vorarlberg” gibt er einen Einblick in die einzigartige Umgebung von Silicon Valley und seine Arbeit beim Internetgiganten Google.

Südlich von San Francisco liegt Silicon Valley. Das schmale Tal in Kalifornien ist längst zum Synonym für eine global einzigartige Start-up-Kultur geworden. Die berühmtesten IT- und Technologie-Firmen wie Apple, Google, Facebook, Netflix, Intel, Whatsapp und vor allem viele Tausende innovative Start-ups, denen der große Durchbruch jederzeit gelingen kann, sind hier beheimatet. Andreas Wendel, geboren und aufgewachsen in Feldkirch, ist seit vier Jahren Teil dieser außergewöhnlichen Umgebung und leistet mit seiner Arbeit zum autonomen Fahren einen großen Beitrag zur Entwicklung jener Innovationen aus Silicon Valley, die unsere Zukunft maßgeblich prägen werden. Nach dem Studium der Telematik (Informatik und Elektronik) an der TU Graz hat er ebenfalls in Graz ein Doktorat im Bereich Informatik begonnen und 2013 „sub auspiciis praesidentis” promoviert. Als Würdigung seiner herausragenden Leistungen wurde er mit dem Ehrenring mit Bundesadler geehrt. Vor dem Hintergrund dieser Höchstleistungen sagt Andreas Wendel, dass ihn zwei Eigenschaften seit seiner Kindheit begleiten: Neugier und Wissensdurst. „Mich interessiert immer, was hinter einer Sache steckt und wie sie funktioniert – egal, ob etwas technischer Natur ist oder nicht. Das hat dazu geführt, dass ich viel gelesen und mich mit Leuten in dem Gebiet unterhalten habe. Ich wollte und will mich immer weiterentwickeln.” Sein Traumberuf als Kind? „Erfinder.“ Rückblickend ein recht genereller Begriff, er hat aber sehr gut zu seinem großen Interesse an Lego-Technik, Elektronik-Baukästen, selbstgebauten Spielen und den Computern seiner älteren Brüder gepasst. „Meine heutige Arbeit kommt dem ‚Erfinden’ aber schon sehr nahe. Ich habe auch schon einige Patente eingereicht.“

Vier Jahre im innovativsten Tal der Welt

Seit vier Jahren bringt Andreas Wendel seine Ideen nun bei Google, einer der größten Technologiekonzerne der Welt, ein. Der Kontakt ergab sich über einen bekannten Professor bei einer Konferenz: Dieser ermöglichte es ihm als Gastforscher an die Carnegie Mellon University (CMU) in Pittsburgh, eine der besten technischen Universitäten der Welt, zu gehen. Die Absolventen sind natürlich auch bei Google sehr gefragt und so wurde Wendel gefragt, ob er im Bereich autonomes Fahren mitarbeiten möchten: „Ein Traumjob – und für mich persönlich die beste Stelle weltweit. In den ersten Wochen ist mir besonders aufgefallen, wie hoch das Niveau aller Kollegen ist und wie hilfsbereit jeder war. Das ergibt eine einzigartige Umgebung, in der zu arbeiten wirklich lohnend ist.“ Angefangen hat er 2013 als Software-Entwickler in Googles „Self-Driving Car“-Projekt. Heute gehört der 33-Jährige zu den erfahrenen Mitarbeitern, denn diesen sehr spezialisierten Bereich des autonomen Fahrens gibt es noch nicht so lange. Googles „Self-Driving Car“-Projekt ist mittlerweile eine eigene Firma namens „Waymo“, bei der Wendel nun arbeitet. Waymos Mission ist es, selbstfahrende Technologien zu entwickeln, die den weltweiten Personen- und Warenverkehr sicher und einfach machen. Die Vision des gebürtigen Feldkirchers ist, dass seine Technologie sowohl die persönliche Mobilität der Leute verbessert als auch Tausende Leben vor Verkehrsunfällen schützt. Wie das gelingen soll, erklärt Wendel folgendermaßen: „Mein Job ist es, autonomen Fahrzeugen das Sehen beizubringen. Maschinelles Sehen funktioniert mit verschiedensten Sensoren, in meinem Fall Kameras, Laser und Radar. Mein Team verwandelt rohe Sensordaten in interpretierbare Objekte um, wie zum Beispiel ein Auto in einer bestimmten Distanz mit einer bestimmten Geschwindigkeit. Zu diesen Objekten zählen Fußgänger, Verkehrsschilder oder natürlich Ampeln.“

Viel Arbeit für die „Welt von morgen“

Diese komplexe Aufgabe erfordert viel Zeit und Engagement. Andreas Wendels Tag beginnt um etwa neun Uhr mit einem Frühstück bei Waymo. „Der eher späte Start und die gemeinsamen Mahlzeiten sind im Silicon Valley sehr üblich. Danach ist aber jeder Tag anders: Meist stehen Meetings mit Kollegen auf dem Programm, dazwischen wird ein Code geschrieben und die Daten unserer Autos analysiert, um die nächsten Prioritäten fürs Team zu setzen. Mittags essen meist alle zusammen.“ Gegen 19 Uhr kommt er nach Hause und verbringt Zeit mit seiner Frau Julia, bevor er sich wieder zurück an den Computer begibt, um weiterzuarbeiten. „Dieses Arbeitspensum geht natürlich nur, wenn’s auch Spaß macht! Außerdem halte ich mir das Wochenende komplett frei, da ist Zeit für Freunde und Freizeitaktivitäten.“ So wie Andreas Wendel arbeiten Tausende kluge Köpfe für die „Welt von morgen“ im Silicon Valley. „Die Idee steht im Vordergrund, dass Erfolg von eigenständigem Lernen und harter Arbeit abhängt und nicht von externer Bestimmung ist. Diese Einstellung liegt mir sehr – sie führt unter anderem dazu, dass jeder jedem hilft und dass Leute bereit sind, unternehmerische Risiken einzugehen. Damit entsteht viel Neues, und man hat unglaublich viele Möglichkeiten, beim Start eines Unternehmens oder einer Technologie von Anfang an dabei zu sein, sowohl als Mitarbeiter, aber auch nur als sehr naher Zuseher.“ Nur der etwas zu überschwängliche Optimismus, der in diesem Umfeld manchmal um sich greift, fällt dem Realisten Wendel manchmal schwer. Die Offenheit der Menschen im Silicon Valley und der Wille, ihre Situation selbst zu gestalten, gefallen ihm. Trotzdem gehen ihm die „Vorarlberger Klassiker“ wie Käsknöpfle, Schnitzel, grüne Wiesen, Badeseen und das Skigebiet ums Eck ab. Familie und Freunde besucht er zwei Mal im Jahr in Vorarlberg. „Der Kontakt zur Heimat ist allgemein sehr gut: Ich treffe auch viele Silicon-Valley-Besucher hier in Kalifornien: Von Unternehmern über Wissenschaftler bis hin zu österreichischen Bundesministern.” Aber auch der Zufall schreibt Geschichte: „Im Mai habe ich mit meinem Bruder Klaus an einem Lauf durch San Francisco teilgenommen. Er war zu Besuch hier und hatte sein Vorarlberger Skinfit-Laufshirt an. Plötzlich spricht uns ein anderer Läufer an, ob wir auch Vorarlberger sind – so entstand unsere Bekanntschaft mit Jodok Batlogg, Gründer von crate.io mit Sitz in San Francisco, Berlin und Dornbirn.

Lebenslauf
Am 18. März 1984 in Feldkirch geboren, wuchs Andreas Wendel auch dort auf. Nach der Matura an der HTL Rankweil 2003 absolvierte er sein Studium der Telematik an der TU Graz. 2013 promovierte er „sub auspiciis praesidentis” ebenfalls an der TU Graz. Seitdem arbeitet er bei Google beziehungsweise Waymo im Bereich autonomes Fahren. Neben zahlreichen anderen Ehrungen wurde er 2017 mit dem Vorarlberger Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Mit seiner Frau Julia, Lehrerin für Mathematik und Psychologie aus Oberösterreich, lebt Andreas Wendel seit 2013 in Mountain View in Kalifornien.

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