Herbert Motter

Belastungsfantasien à la Österreich

November 2015

Wirtschaftsfeindliche Ideen sind weiter an der Tagesordnung. Österreichs Politik scheint nur sehr langsam zu begreifen, wie sehr weitere Belastungen für die Unternehmen dem Standort und damit uns allen schaden.

Laut Weltbank steht Österreich in der Rangliste der unternehmerfreundlichsten Länder weltweit an 21. Stelle. Das liest sich auf den ersten Blick recht erfreulich. Und doch ist dies nur das Ergebnis eines weiteren Rankings, in dem unser Land zurückgefallen ist. Unsere Wirtschaft erlebt derzeit ein Wechselbad der Gefühle: Exportrekorde und Beschäftigungshöchststände auf der einen Seite, Wachstums- und Investitionsschwächen und damit verbundene Wettbewerbseinbußen auf der anderen Seite. Warnrufe hat es in der Vergangenheit viele gegeben. Eine aktuelle WU-Studie zeigt etwa, dass die Netto-Investitionsquote in den letzten Jahren regelrecht eingebrochen ist. Damit stehen wir vor einem echten Problem, denn wo keine Investitionen, auch kein technischer Fortschritt, zu geringe Arbeitsproduktivität und eine sinkende Nachfrage.

Nach Jahren der Stagnation prognostizieren die Wirtschaftsforscher beim Wachstum für 2016 zwar einen Einser vor dem Komma – ein echter Aufschwung sieht aber anders aus. Österreich ist in der EU nicht mehr Wachstumsvorreiter, sondern -nachzügler, und bei der Arbeitslosigkeit nicht mehr Best-Performer, sondern Mittelmaß. Die Wirtschaft leidet unter dieser Stagnation bei gleichzeitig massiv steigenden Arbeitskosten. „Wer hier zusätzliche Belastungen fordert, wird Arbeitslosigkeit ernten“, sagt der Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, Martin Gleitsmann.

Österreich nutzt viel zu wenig die eigentlich günstigen internationalen Rahmenbedingungen wie etwa den niedrigen Ölpreis, den schwachen Euro oder die expansive Geldpolitik. Stattdessen hemmen die hohen Lohnkosten und die Steuer- und Abgabenlast im Allgemeinen. Seit 2008 sind die Lohnstückkosten in Österreich um 15,8 Prozent gestiegen (EU: 10,2 Prozent).

Dazu kommen Schreibtischtäter, die ständig mit neuen Angriffen gegen die Wirtschaft aufwarten, ohne die Folgen im Blick zu haben. Es scheint, als versuche die Regierung ihre fast schon chronische Reformunfähigkeit mit neuen Belastungsfantasien zu kaschieren. Zum Handkuss soll einmal mehr die Wirtschaft kommen.

Konzeptlos und unausgegoren

Aktuelles Beispiel für ein konzeptloses und nicht ausgeklügeltes Vorgehen der Politik ist die Registrierkassenpflicht. Die Liste der offenen Fragen ist lang und die Verunsicherung der Betroffenen, meist Kleinunternehmer, groß. Wenn diesen Betrieben schon zusätzliche Kosten aufgebürdet werden, dann zumindest unter Garantie von Planungs- und Rechtssicherheit. Einfach neue Abgaben einzuführen, ohne praktikable Details vorzulegen, ist schlichtweg unzumutbar.

Szenenwechsel zum Verkehr: Mauten, Nacht-60er, sektorales Fahrverbot, hohe Zulassungskosten, Unsicherheiten und Belastungen durch das Energieeffizienzgesetz, keine ausreichende gesetzliche Regelung in Sachen Kabotage. Die heimische Verkehrswirtschaft befindet sich am Limit. Eine übertriebene Umsetzungsgier der Allergenverordnung, der Hickhack um das generelle Rauchverbot, Steuererhöhungen – auch der Tourismus kann von der Regelungswut ein Lied singen.

Für diese und alle anderen Branchen hat die Gewerkschaft so ihre ganz eigenen Vorstellungen. Geht es nach ihr, sollen Gebote und Strafen die unternehmerische Freiheit in die Schranken weisen. Es mangelt hierzulande weiter am Bewusstsein, dass Quotenregelungen aller Art, die Einführung einer 35-Stunden-Woche, sechs Wochen Urlaub für alle, Strafen für Überstunden und Malus-Zahlungen für Betriebe, die nicht genug Ältere in der Belegschaft haben, die Chancen der Betriebe im globalen Wettbewerb massiv schmälern statt fördern. Wer das will, nimmt eine weitere Schwächung des Wirtschaftsstandorts und damit die Gefährdung von Arbeitsplätzen in Kauf.

Kurswechsel in Richtung „wirtschaftsfreundlich“

Wirtschaftskammer-Präsident Manfred Rein fordert angesichts der vielfältigen Belastungsideen eine „dringende Kurskorrektur“. Österreich braucht eine breit angelegte Offensive zur Stärkung von Standort, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum – mit einem sofortigen Belastungsstopp, gezielten Wirtschaftsimpulsen und dem Abbau der überbordenden Bürokratie. Das heißt konkret: eine vernünftige Wirtschaftspolitik ohne „Wie du mir, so ich dir“-Spielchen, wie gerade eben wieder passiert. Die rote und die schwarze Reichshälfte – sie verdienen den Namen aufgrund der Wahlverhältnisse eh nicht mehr – haben sich einmal mehr gegenseitig Zuckerl zugeworfen: Ich geb’ dir eine Lohnnebenkostensenkung und du schluckst einen Anreiz- und Sanktionsmechanismus für ältere Arbeitnehmer. Es geht weiter zu wie auf einem Basar. Standpunkte und Überzeugungen adé. Wie sagte doch der Mathematiker und Manager Bruno Buchberger: „Man muss die Erstarrung, nutzloses gegenseitiges Loben und Fantasielosigkeit ohne Beschönigung zur Kenntnis nehmen.“

Nun, die Lohnebenkostensenkung ist zu begrüßen. Sie ist aber doch nur ein erster Schritt auf einer längst überfälligen Reise. Die Gegenmaßnahme ist allerdings mehr als ein fatales Signal.

Weniger schöne Worte, mehr konkrete Taten, mehr Freiraum für Unternehmen – das sind die Voraussetzungen, unter denen Österreich wirtschaftlich wieder an der Spitze mitspielen kann. Die Warnsignale sind jedenfalls längst unübersehbar, denn letztendlich werden Belastungen aller Art für die Hand, die uns füttert, sich auf uns alle auswirken.

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