Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Blackout? Dann würde ich nach Vorarlberg kommen“

Juli 2022

Was bedeutet es, wenn der Strom ausfällt und zwar flächendeckend? Wenn das Worst-Case-Szenario, ein Blackout eintritt? In einem Artikel der Johannes-Keppler-Universität Linz heißt es: „Die Gefahr eines Blackouts, also eines überregionalen, länger anhaltenden Stromausfalls, schwebt wie das Schwert von Damokles über unserer hochtechnisierten, modernen Gesellschaft. Unsere Lebens- und Arbeitswelten sind nahezu vollständig von elektrisch betriebenen Geräten durchdrungen, und kritische Infrastrukturen wie Kommunikation, Transport, Finanz- und Gesundheitswesen sind aufs Engste miteinander vernetzt und damit hochgradig verletzbar. Bei einem längerfristigen Ausfall wäre ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wohl kaum zu verhindern.“

„Vorbereitung ist ein Gebot“

Um dieses Thema zu diskutieren, hatte nun das Kompetenzzentrum Sicheres Österreich (KSÖ) in Kooperation mit der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und dem Land Vorarlberg zu einem Informationsabend in die Messe Dornbirn geladen. Moderatorin Diana Panzirsch sagte einleitend, Experten seien sich längst einig: „Es ist nicht mehr die Frage, ob ein solcher Fall eintreten kann, sondern nur noch wann und in welchem Ausmaß.“ Mögliche Auslöser gebe es zu viele, der ständig wachsende Strombedarf, die europaweit veraltete Infrastruktur, auch könne ein Blackout durch Cybercrime, Sabotage oder Extremwetterereignisse verursacht werden. „Vorbereitung“, sagte die Moderatorin, „ist also ein Gebot der Stunde.“
Anfang 2020 berichtete das Bundesheer, dass „in den nächsten fünf Jahren mit einer 100-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Blackout gerechnet wird“. Ein Blackout verursacht laut einer Studie der Johannes-Kepler-Universität in Linz für jede Stunde ohne Strom 92 Millionen Euro Schaden für die heimische Volkswirtschaft. Ein ganzer Tag im Blackout würde das Land Österreich sogar über eine Milliarde Euro kosten.
Es gehe also darum, sich „intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen“, sagte Wilfried Hopfner, Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg und des KSÖ Vorarlberg. Für die Vorarlberger Wirtschaft, betonte Wirtschaftslandesrat Marco Tittler, seien Energie und Versorgungssicherheit von enormer Bedeutung: „Das ist ein Standortfaktor.“ Und dauere ein Blackout zu lange, könne das für Industrieunternehmen existenzgefährdend sein, warnte IV-Präsident Martin Ohneberg: „In so einer Situation ist jeder Tag gezählt.“ Arbeitsplätze, Wohlstand, Investitionen könnten auf dem Spiel stehen; ein Kollateralschaden drohe.
Am 8. Jänner 2021 war Europa nur knapp an einem Blackout vorbeigeschrammt. An diesem Tag war es, infolge hoher Lastflüsse vom Balkan aus, in einem kroatischen Umspannwerk zu einem Zwischenfall gekommen, der im europäischen Stromversorgungssystem, dem größten zusammenhängenden Stromnetz der Welt, schließlich zu einer weitreichenden Netzauftrennung geführt hatte. Im nordwesteuropäischen Netzteil war die Frequenz gesunken, im südosteuropäischen Netzteil dagegen gestiegen: Derartige Abweichungen aber können in einem System, in dem permanent die Balance zwischen Verbrauch und Erzeugung sichergestellt sein muss, zu weitreichenden Kaskadeneffekte führen. Doch an diesem 8. Jänner waren die Netze nach gut einer Stunde wieder zusammengeschaltet, wie Christof Germann, Vorstandsmitglied der illwerke vkw, in seinem Vortrag berichtete.

„Nicht nachvollziehbar“

Ist es denn tatsächlich nur noch eine Frage, bis wann der Blackout eintritt? Germann sagte, das System sei zwar instabiler geworden, aber zu sagen, in fünf Jahren komme es ganz sicher zu einem Blackout, diese Aussage sei nicht nachvollziehbar. Dennoch könne man nicht definitiv ausschließen, dass es auch in Vorarlberg einmal zu einem Blackout kommen könnte. Was aber passiert in einem solchen Fall? Dann, sagte Germann, würde die Kraftwerksgruppe Obere Ill/Lünersee zweigeteilt; die eine Hälfte stehe sofort für den Netzwiederaufbau in Vorarlberg zur Verfügung; die andere Hälfte sei für den Netzwiederaufbau im süddeutschen Raum gedacht. Germann: „Wir koppeln uns vom Rest von Europa ab und beginnen in Vorarlberg mit dem Aufbau einer sogenannten Insel. Wäre es ein Vorgang, wie jener am 8. Jänner, gehen wir davon aus, dass wir die Versorgung innerhalb von zwölf Stunden wieder aufnehmen könnten. In Summe sind wir auf einen Blackout gut vorbereitet.“ Anton Gögele, Berater des Landes von der Securplan GmbH, übernahm. Man habe umfangreiche Analysen durchgeführt und daraus folgendes Szenario festgelegt: „Wir treffen unsere Vorbereitungen in der Annahme, dass ein Blackout drei Tage dauert und dass wir anschließend noch vier Tage Probleme haben werden.“ Selbst wenn der Strom wieder da sei, dürfe man nicht davon ausgehen, dass andere notwendige Strukturen sofort wieder funktionieren: „Ich spreche da beispielsweise von der Telekommunikation.“ Er sei lange in der Stromversorgung großer Unternehmen tätig gewesen, sagte Gögele: „Und wenn ich mir einen Platz aussuchen könnte, wo ich hin möchte im Blackout, dann würde ich nach Vorarlberg kommen. Man ist hier sehr gut aufgestellt.“

Kritsche Infrastruktur

Landespolizeidirektor Hans Peter Ludescher und Bundesheer-Oberst Ralf Bail berichteten wiederum, welche Maßnahmen aus ihrer Sicht gesetzt würden, wie kritische Infrastruktur geschützt und der Transport notwendiger Güter für die Bevölkerung sichergestellt werden könnte. Das Land habe sich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt, zudem verfüge Vorarlberg über eine „sehr breite Sicherheitsarchitektur“, das sagte Sicherheits-Landesrat Christian Gantner. Ihm zufolge könnten Feuerwehrhäuser und andere Einrichtungen der Hilfs- und Rettungsorganisationen zu Anlaufstellen der Bevölkerung werden, sie würden im Anlassfall „Sicherheitstankstellen“ sein.
Und was ist mit der Eigenverantwortung? Wilfried Hopfner sagte in seinem Schlusswort, es sei gut zu wissen, dass sich hierzulande Fachleute und Institutionen mit dem Thema beschäftigen würden, dass es entsprechende Systeme und Ablaufprozesse gebe und dass sich das Land Vorarlberg für den Fall der Fälle rüste. „Aber am Ende des Tages“, sagte Hopfner, „ist es gut, auch auf sich selbst zu schauen.“ Und das sei die Kernbotschaft: „Es braucht Eigeninitiative.“
Einer aktuellen Umfrage zufolge haben 16 Prozent der Österreicher für einen Blackout vorgesorgt; haben also Trinkwasser, Lebensmittel und Bargeld zuhause, um zumindest ein paar Tage überbrücken zu können. 28 Prozent haben noch nicht einmal darüber nachgedacht, was ein Blackout bedeuten könnte.

Video ansehen: https://wkv-media.at/neuigkeiten/news/Strom_Blackout_Vorarlberg.html

 

 

 

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