Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Das ist unsere einzige Chance“

März 2022

Brigitte Ecker (45), Geschäftsführerin der WPZ Research mit Sitz in Wien, erklärt im Interview, wie entscheidend Forschung und Entwicklung für den Wirtschaftsstandort Österreich sind. Die Wirtschaftswissenschaftlerin sagt unter anderem: „Vorarlbergs Unternehmen ticken wettbewerbsorientierter.“

Frau Ecker, ist Österreich ein Land der Forschung und Entwicklung? 
Ja. Österreich gibt sehr viel für F&E und Innovation aus, die Ausgaben sind im internationalen Vergleich sehr hoch. Man sieht das auch am Output, etwa an den vielen Patentanmeldungen oder an der hohen Anzahl wissenschaftlicher Publikationen. Die Schweiz ist Innovationsleader in Europa und weit voran, auch die skandinavischen Staaten sind besser, aber dann kommt im Ranking bereits Österreich. Wir haben im internationalen Vergleich eines der größten Forschungsförderungsportfolios.

Wie hat sich die Pandemie eigentlich auf den Bereich Forschung und Entwicklung ausgewirkt? Ist die entsprechende Quote gesunken? Ist sie gestiegen?
Wir wissen zwar, dass Unternehmen die Zeit sehr stark dafür genutzt haben, Forschungsanträge zu schreiben und Förderungen zu beantragen. Das unternehmerische Bestreben, mit F&E und Innovation gestärkt aus dieser Krise herausgehen zu können, ist damit dokumentiert. Allerdings fehlen valide Daten. Bei der jährlich stattfindenden F&E-Erhebung haben sich nur wenige Unternehmen bei der Statistik Austria rückgemeldet. Es gibt damit nur Schätzungen.
Wir werden also die Frage, wie sich die Pandemie tatsächlich ausgewirkt hat, erst im Nachhinein beantworten können.

Dennoch: Wie entscheidend sind F&E für den Wirtschaftsstandort Österreich? 
Ohne F&E und Innovation geht gar nichts mehr. Das ist unsere einzige Chance, um im Wettbewerb bestehen zu können. Auf den internationalen Märkten kann sich ein Unternehmen entweder über den Preis oder über Qualität behaupten. Über den Preis kann das Hochlohnland Österreich nicht konkurrieren, es muss also auf die Qualitätsschiene setzen, auf qualitativ bessere Produkte und Services. Studien zeigen, dass innovative Unternehmen exportorientierter sind. Doch neben diesem klassischen, ökonomischen Verständnis bekommen Forschung, Entwicklung und Innovation immer stärker auch eine sozioökologische Komponente, um Antworten beispielsweise auf den Klimawandel oder auf neue Anforderungen in Sachen Transparenz und Fairness finden zu können. 

F&E liegt weitestgehend in den Händen der Unternehmen, in Vorarlberg ist diese Quote eklatant hoch …
In Vorarlberg stemmen die heimischen Unternehmen den ganz, ganz großen Teil. Vorarlberg hat sehr wenig an öffentlicher Finanzierung durch den Bund. Ich weiß nicht, warum sich Vorarlberg so wenig vom Bund holt. Im Vergleich zu Gesamtösterreich sind die Ausgaben seitens des Bundes in Vorarlberg sehr gering. Österreichweit haben wir 19 Prozent, Vorarlberg liegt bei einem Prozent. Natürlich, es gibt in Vorarlberg keine Universität, es haben sich auch nur wenige ausländische Unternehmen angesiedelt, die sich in anderen Bundesländern gezielt aus dem Forschungsförderungsportfolio bedienen. Die Struktur ist eine andere. Trotzdem: Dass sich Vorarlbergs Unternehmen nicht mehr holen, das kann man natürlich hinterfragen. Ist es die Distanz zu Wien, die da hemmt? Was aber F&E selbst betrifft …

Ja bitte?
Da wird Vorarlberg als sehr positiv wahrgenommen. Vorarlberg leuchtet immer wieder mit guten Ansätzen, leuchtet immer wieder als Modellregion. Beispielsweise in Bezug auf innovative Lebensmittelsysteme: Was Vorarlberg da leistet, in Verbünden mit Landwirten und Unternehmen, unter Berücksichtigung von Regionalität, Lieferketten und Verpackung, das ist deutlich innovativer als anderswo. Wie insgesamt der Vorarlberger Unternehmenssektor auch ohne große staatliche Förderung sehr aktiv ist. Es hat vielleicht auch mit dem Umfeld, sprich mit der Nähe zur Schweiz und zu Deutschland zu tun, dass Vorarlberger Unternehmen per se wettbewerbsorientierter ticken.

Schafft es Österreich, in ausreichendem Maße qualifiziertes Personal für den Bereich F&E zu rekrutieren?
Das ist der wunde Punkt in diesem Ganzen. Wir brauchen nicht über F&E und Innovation zu reden, wenn wir nicht entsprechendes Human Capital haben. Das betrifft sowohl die Rekrutierung im Inland als auch die Frage, wie attraktiv Österreich für hochqualifizierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem Ausland ist. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Ländern, beispielsweise mit der Schweiz und mit Deutschland, und wenn man das in Relation setzt und sich fragt, wie gut Österreich in dieser Hinsicht ist, sage ich: Nicht gut genug! Wenn wir nur an die große Diskussion der grünen Transformation in Richtung ökologischer Wende denken, dann ist klar: Österreich braucht qualifiziertes Personal! Das wird immer noch drängender, noch eklatanter. Und was F&E betrifft, da wäre noch ein Punkt zu erwähnen …

Und der wäre?
Man muss weg von diesem Gießkannen-Prinzip hin zu wirklichen Schwerpunktsetzungen. In Österreich herrscht in dieser Beziehung ein zu großes Silodenken: Jede Universität, jede Fachhochschule nimmt sich einen Baustein, forscht beispielsweise ein bisschen in Sachen Künstlicher Intelligenz, aber das Gemeinsame bei großen Themen, das fehlt. Da liegt ein großes Potenzial brach.

Vielen Dank für das Gespräch!

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