Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Die Automatisierung war bis dato der größte Arbeitsplatzbeschaffer“

April 2019

Christian Beer (58), Chef der Heron-Gruppe, sagt im Interview, dass es dank der Automatisierung den Menschen heute so gut gehe wie nie zuvor. Stillstand aber sei Rückstand, sagt Beer auch: „Am Beispiel China können wir erkennen, dass Digitalisierung und Innovation in den Betrieben alleine zu wenig sein wird – wir werden diese Themen in alle Bereiche der Gesellschaft tragen müssen.“

Die Fachwelt ist sich uneins – die einen sagen, Digitalisierung und Automatisierung werden jeden zweiten Job überflüssig machen, die anderen sagen, neu entstehende Jobs werden wegfallende kompensieren. Was ist da Schreckensszenario, was ist Realität, Herr Beer? 

Das ist schwer zu sagen. Die Kunst wird jedenfalls sein, ein Gleichgewicht zu halten, und aufzuzeigen, dass man hochautomatisieren kann und gleichzeitig auch der Mensch nicht zu kurz kommt. Automatisieren für den Menschen! Für mich ist das kein Widerspruch! Nur wird das Thema sehr oft missverstanden, auch bei uns im Land.

Inwiefern denn?

Die Automatisierung war in Vorarlberg bis dato der größte Arbeitsplatzbeschaffer überhaupt. Man muss sich doch nur umschauen, um zu sehen, was die Automatisierung an Positivem gebracht hat. Nehmen wir ein Beispiel? Blum. Hochautomatisiert und hochprofessionell. Und wer hat die meisten Arbeitsplätze im Land? Blum! Automatisierung macht wettbewerbsfähig. Dank Automatisierung geht es den Menschen heute so gut wie noch nie zuvor. Das sollte man anerkennen und nicht ständig das Gegenteil behaupten.

Und in Zukunft? Was wird da gelten?

Industrie 4.0 verknüpft und automatisiert die internen Prozesse. Das führt erstmals dazu, dass durch Automatisierung Arbeitsplätze verloren gehen. Die Anforderungen haben sich zu stark geändert. Wir brauchen zwar dringend Fachkräfte für die neuen Herausforderungen, wir können den Bedarf allerdings nicht mit jenen Menschen decken, die jetzt teilweise schon aus dem Prozess fallen. Und ich behaupte, dass uns in Vorarlberg in den nächsten Jahren zehntausend Software- und IT-Leute fehlen werden. Das ist ein großes Problem.

Die Politik scheint das Digitale erst jetzt zu entdecken. Dabei sind Digitalisierung und Automatisierung in der Wirtschaft längst schon Alltag …

Zuvor waren die entsprechenden Themen nur den Wenigen vorbehalten, die sich damit beschäftigt haben. Dadurch, dass die Politik die Digitalisierung nun aber zum Thema macht, hat auch das Gros der Bevölkerung erfasst, was da alles möglich ist und welche Herausforderungen auf uns zukommen werden. Wobei sich der Prozess rasant beschleunigt.

Was ist Stand der Dinge in Sachen Digitalisierung und Automatisierung in Ihren Firmen?

Nach meinem Empfinden sind wir viel zu langsam! Ich habe einen relativ guten Einblick, was in der Industrie läuft: Wir sind mit unseren Produkten mehr oder weniger in allen Branchen tätig und das auch weltweit. Top-Unternehmen setzen uns ein, fordern uns aber auch auf das größtmögliche Maß. Und so bekommen wir sehr schnell mit, was aktueller Stand der Dinge ist und wie die Entwicklung voranschreitet. Wir haben den ständigen und branchenübergreifenden Abgleich, wo wir selbst stehen und was unsere Kunden von uns wollen, das ist ein immenser Vorteil!

Sie würden immer am Idealzustand arbeiten, sagten Sie vor Kurzem in einem Interview ...

Etwas anderes als der Idealzustand darf nicht unser Anspruch sein. Deshalb suchen wir den ständigen Vergleich. Ist ein Kunde in einem bestimmten Bereich bereits weiter als wir? Wo sind wir besser, wo sind wir schlechter? Es ist dieser kontinuierliche Verbesserungsprozess, der ursprünglich von Toyota entwickelt wurde, den wir in unseren Themen auch anwenden. Hohe Transparenz, genaue Analyse, das ist reizvoll und spannend. 
Es ist aber auch eine Frage der Einstellung: Habe ich eine Mannschaft, die bereit ist, eine hohe Transparenz zu leben und eine hohe Feedback-Rate auszuhalten und das als sportlichen Anreiz sieht und nicht als Drucksituation empfindet. Der Umgang mit sich selbst ist entscheidend. Wenn jemand meint, dass er alles kann und alles weiß, dann hat er bereits verloren. Wenn ein Unternehmer meint, er sei der Beste, dann geht es eh schon rückwärts. Das bestätigt sich jeden Tag aufs Neue.

Ist Stillstand Rückstand?

Absolut! Sich nur einmal selbstzufrieden zurücklehnen – und schon ist es zu spät.

 

Top-Unternehmen setzen uns ein, fordern uns aber auch auf das größtmögliche Maß.

 

Renommierte Unternehmen weltweit zählen zu Ihren Kunden …

Unser Servus ist im Einsatz bei Zumtobel, Amann Girrbach und Schelling, er ist im Einsatz bei den deutschen Konzernen Fossil, Phoenix Contact und Miele, bei Illy Kaffee und bei Google. Ich kann aus vertraglichen Gründen viele Kunden gar nicht anführen.

Der Servus, von dem Sie sprechen, was ist das genau?

Ein autonom agierender, selbstständiger und selbstdenkender Transportroboter. Der Servus ist das Verbindungsglied vom Wareneingang über die Produktion bis zum Warenausgang. Unser Servus bringt autonom das richtige Produkt zur richtigen Zeit an den richtigen Ort und behindert dabei die Prozesse in der Produktion nicht, weil er dort unterwegs ist, wo er nicht stört, beispielsweise an der Decke. Die Automatisierung der Logistik und des Materialflusses ist die große Chance für Europa! Und umgekehrt ein immenses Risiko. Denn die Grundvoraussetzungen in Europa, was Kosten, Steuern und Rohstoffe betrifft, sind nicht ideal.

Was wird denn in Zukunft auf das Land Vorarlberg zukommen?

Wir haben die führenden Nationen im Fokus, allen voran China. Am Beispiel China können wir erkennen, dass Digitalisierung und Innovation in den Betrieben alleine zu wenig sein wird. Wir werden diese Themen in alle Bereiche der Gesellschaft tragen müssen. Je dynamischer eine ganze Region ist, desto größer sind die Chancen. Und das Land Vorarlberg hätte da immense Chancen – mit dieser Verbundenheit der unterschiedlichsten Betriebe, mit dieser Vielseitigkeit! Wir haben eine große Chance. Aber wir müssen diese Chance auch begreifen und entsprechend nutzen.

Sie haben da gewiss auch Forderungen.

Meine Forderungen? Mutig Projekte aufsetzen, auch gegen kurzfristige Widerstände. Und den Menschen wieder mehr an seine Eigenverantwortung erinnern! Es sind nicht immer die anderen schuld, man ist selbst gefordert. Die Leute scheinen sich immer weniger bewusst zu sein, dass sie die Macht über sich selber an andere abgeben, wenn sie ihre Eigenverantwortung nicht wahrnehmen. Und noch etwas: Ich bin öfters in China. Und denke mir dann jedes Mal: „Das gibt’s ja gar nicht, die Chinesen haben null Problem mit neuen Technologien.“ Während sie die Möglichkeiten sehen, sehen wir die Probleme. Wenn man sieht, mit welcher Strategie, mit welcher Leistung und mit welchem Tempo die Chinesen agieren, schläft einem – man kann’s nicht anders sagen – bei den verwöhnten Europäern fast das Gesicht ein. Die Europäer diskutieren, die Chinesen handeln. Das ist ganz gefährlich!

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Unternehmen

Die Heron-Gruppe ist ein von Christian Beer 1988 gegründetes Industrie- und Technologie­unternehmen mit Sitz in Dornbirn. Die Muttergesellschaft Heron dient heute als Dienstleister im Bereich Finanzen, Personal- und Produktentwicklung für ihre drei operativen Tochtergesellschaften. Operativ am Markt tätig sind Heron CNC Technik, ein Fertigungsdienstleister im Bereich Stahl und Aluminium; Robotunits liefert mit seinem Automatisierungs-Baukasten schnelle, flexible und qualitativ hochwertige Profil- und Fördertechnik sowie Schutzzaun- und Linearachsensysteme; Und Servus Intralogistics entwickelt, plant und liefert seinen Kunden maßgeschneiderte Intralogistikanlagen.
Auslandsniederlassungen befinden sich in den USA, Italien und Australien.

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