Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Die Vorarlberger können durchhalten, das hat man gemerkt“

Mai 2020

Landeshauptmann Markus Wallner sagt im Interview mit „Thema Vorarlberg“, dass man sich im Land, was die gesundheitliche Bedrohung durch den Virus betrifft, „langsam über den Berg bewegt“.
Der Weg in die Normalität werde zwar dauern, Wallner blickt aber durchaus mit Optimismus in die Zukunft: „Das unternehmerische Gen in Vorarlberg wird sich sehr schnell wieder durchsetzen.“

Herr Landeshauptmann, lässt sich denn schon ein Weg zurück in die Normalität skizzieren? 

Das ist zur Stunde nur schwer zu beantworten. Was die Bedrohung unserer Gesundheit durch das Virus betrifft, würde ich sagen, dass wir uns langsam über den Berg bewegen. Wir hoffen alle, dass keine zweite oder zumindest keine intensivere Infektionswelle eintritt. Es ist allerdings klar: Solange kein Impfstoff da ist, werden wir uns an gewisse Einschränkungen gewöhnen müssen. Wir werden da nur langsam zur Normalität zurückkehren können. Das wird dauern. Es geht ja auch um die künftige Planung der Pandemiebekämpfung und Pandemiesicherheit. Was ist, wenn das Virus wieder auftaucht? Gar noch in intensiverer Form? Was ist, wenn andere Viren auftauchen? Und daneben werden uns natürlich andere Fragen beschäftigen. Was ist mit der Wirtschaft?  Wie kurbeln wir die Wirtschaft an? Was bedeutet die Situation für unsere Finanzsysteme in den Gebietskörperschaften? Da wird man den Gürtel enger schnallen müssen, gleichzeitig wird man Konjunkturprogramme benötigen. Also, der Weg zurück wird schon ein steiniger sein und er kann länger dauern.

Wenn man dieser Situation auch etwas Positives abgewinnen will, könnte man sagen: Was in Vorarlberg in dieser Not­situation funktionieren musste, das hat auch funktioniert. 

Diese Krise ist etwas vollkommen Neues, weil sie praktisch alles umfasst, weil sie über Wirtschaft und Gesellschaft bis tief in das persönliche Leben eines jedes einzelnen Menschen reicht. Und angesichts dieser Tatsache muss man feststellen, dass das Krisenmanagement in weiten Teilen sehr gut funktioniert hat. Die systemrelevanten Bereiche haben sehr gut funktioniert, Vorarlberg hat sehr schnell in den Krisenmodus umgeschaltet. Was Vorarlberg bisher schon immer ausgezeichnet hat, das nützt uns jetzt: Die Kleinheit des Landes. Die schnellen und klaren Entscheidungen. Die kurzen Wege. Und das hervorragende Engagement der Menschen. All das ist entscheidend. Denn jene Regionen, die schneller durch die Krise kommen, die werden auch schneller wieder aufstehen. Und ich gehe davon aus, dass wir Vorarlberger da dazugehören werden.

Die Kleinheit des Landes ist in dieser Situation ein Vorteil?

Absolut! Man kann in unserem Land viel mit einem Anruf erledigen. Aber der Erfolg, den wir – Stand heute – im gesundheitlichen Bereich haben, liegt darin begründet, dass wir von Anfang an sehr klar mit der Bevölkerung kommuniziert und die Bürger sehr schnell verstanden haben, wie umfassend diese Krise ist und wie bedroht auch die Gesundheit eines jeden Einzelnen sein kann. Die Bevölkerung hat sehr schnell, sehr diszipliniert reagiert. Die Vorarl­berger können durchhalten, das hat man gemerkt.

Wie eng Wirtschaft und Gesellschaft miteinander verbunden sind, auch das hat die Krise deutlich gemacht.

Ja, das ist eine der großen Schärfen, die in dieser Krise zum Vorschein kommt. Nichts funktioniert ohne das andere. Immer nur mehrere Teile ergeben das Ganze, das hat man sofort gemerkt, dafür gab es viele Beispiele. Wie eng alles miteinander verbunden ist, das ist aber auch dort sichtbar geworden, wo es zu Brüchen gekommen ist, etwa bei der Schließung von Grenzen. Für mich war da übrigens auch die Quarantäne in Nenzing ein zentrales Erlebnis. Erst da hat man gemerkt, wie mobil und dynamisch diese Gesellschaft im Normalfall ist. Wie man insgesamt in dieser Krise gemerkt hat, welch tiefer Eingriff in das Leben die Einschränkung der Bewegungsfreiheit eigentlich ist und was es bedeutet, kein gesellschaftliches Leben mehr zu haben. Da wird es schnell grau in der Gesellschaft.

Was steht politisch als Erstes an in Sachen Wirtschaft?

Im Moment sind es noch die direkten Hilfen an die Wirtschaft, zur Krisenbekämpfung und Schadensbehebung, die im Mittelpunkt stehen. Diese Maßnahmen werden aber sehr schnell der Frage weichen, wie wir den Arbeitsmarkt und die Konjunktur ankurbeln können. Das heißt, wir müssen ein gemeinsames Konjunkturprogramm entwickeln, für die Phase des Öffnens, für die Phase des Aufbaus. Und wir müssen Perspektiven entwickeln, wie wir nach der Krise dastehen werden. Das ist eine entscheidende Frage. In der Krise sind allerdings auch Dinge zum Vorschein getreten, die uns in Summe, wenn wir sie richtig nützen, wieder neue Möglichkeiten bieten können. Es gibt einen gewaltigen Schub im Bereich der Digitalisierung, im Bereich der Telearbeit, diese Entwicklungen werden der Unternehmerszene neue Chancen eröffnen. Es wird auch die Frage auftauchen, was wir an Neuem selber produzieren können. Es können und es werden neue Chancen entstehen, die es aufzugreifen gilt. Zurück zur Normalität wird auch bedeuten, ein Stück weit Veränderungen anzupacken, die sich in der Krise als notwendig zeigten. Das gilt vor allem für die Verwaltungsreform, die wir nun unter anderen Vorzeichen diskutieren müssen.

Es bieten sich also auch Chancen?

So ist es. Nur muss man die Situa­tion richtig einschätzen: Die jetzige Krise kann in ihrer Wirkung zwei- bis dreimal so stark sein wie die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008. Und die war schon heftig. Und im Gegensatz zur damaligen Krise sind heute alle Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft betroffen. Aber: Wir sind extrem fit in die Krise gestürzt, mit Vollbeschäftigung und Hochkonjunktur. Wir sind im wirtschaftlichen Höhenflug jäh gestoppt worden. Das heißt aber auch, dass wir nicht mit dem Rücken zur Wand stehen. Wir müssen nur schnell wieder auf die Beine kommen. Und da wird uns die Wirtschaft sehr helfen, weil sie im Land sehr innovativ und auch sehr branchenvielfältig ist. Unsere Wirtschaft kämpft, das merkt man. Es will jeder wieder wirtschaften, im besten Sinn des Wortes. Sobald die Wirtschaft weltweit wieder Marktzugänge zulässt, werden die Vor­arlberger Exportunternehmen zu den Ersten gehören, die wieder vor Ort sind. Das unternehmerische Gen in Vorarlberg wird sich sehr schnell wieder durchsetzen. Man kann in einer Krisensituation abstürzen und liegenbleiben, man kann in einer Krisensituation aber auch rasch wieder aufstehen. Und das ist eher die Vor­arlberger Art, die Dinge anzupacken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.