Wolfgang Schwarzbauer

ist Finanz- und  Personalvorstand sowie Leiter des Forschungsbereichs regionale Wirtschaftspolitik und Außenwirt-schaft bei EcoAustria. Schwarzbauer promovierte in Volkswirtschaftslehre. Die ausführliche Policy Note „Exportpotenziale“ finden Sie auf ecoaustria.ac.at

Exportpotenziale in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten

Dezember 2025

Die globale Wirtschaftsordnung befindet sich in einer Phase tiefgreifender Umbrüche. Handelskonflikte, technologische Rivalität und geopolitische Spannungen verändern die Rahmenbedingungen des internationalen Wettbewerbs. Für eine offene Volkswirtschaft wie Österreich, deren Wachstum wesentlich auf außenwirtschaftlicher Wettbewerbs- und Marktdurchsetzungsfähigkeit beruht, stellt das eine Herausforderung dar: Einerseits geraten traditionelle Absatzmärkte unter Druck, andererseits eröffnen sich neue Chancen in Regionen mit wachsender Nachfrage und stabileren geopolitischen Beziehungen. 
Die wirtschaftliche Dynamik in Europa bleibt aktuell im internationalen Vergleich jedoch gedämpft. Die Ursachen sind strukturell, aber auch geprägt von global zunehmenden geopolitischen Spannungen. Die jüngsten Zollanhebungen der USA treffen insbesondere europäische Exporteure von Investitionsgütern. Gleichzeitig hat sich die technologische Aufholstrategie Chinas beschleunigt: Mit massiver Industriepolitik und gezielten Förderprogrammen hat China seine Wettbewerbsfähigkeit in jenen Bereichen ausgebaut, in denen Deutschland und Österreich bislang Stärken aufwiesen. Hinzu kommt, dass die chinesische Importnachfrage stagniert, während der internationale Wettbewerb auf den Absatzmärkten zunimmt. Das Ergebnis ist eine merklich geringere Nachfrage nach europäischen, insbesondere deutschen und österreichischen Industrieprodukten. 
Diese Entwicklungen treffen Österreich indirekt, aber erheblich. Etwa ein Drittel der österreichischen Warenexporte fließt als Vorleistungen in die deutsche Industrie. Wenn der deutsche Exportmotor stottert, verliert auch die österreichische Exportwirtschaft an Dynamik. Die Daten des FIW Trade Indicator der letzten Monate bestätigen diese Tendenz: Die Exportperformance bleibt schwach, Exporte in den Monaten Juni und Juli 2025 waren zuletzt um mehr als 10 Prozent unter den Vorjahreswerten. Damit zeichnet sich ab, dass die gegenwärtige Schwächephase nicht nur konjunktureller, sondern struktureller Natur ist. 
Diese Diagnose wird durch Mario Draghis Bericht erhärtet. Darin wird die wachsende Innovations- und Produktivitätslücke Europas gegenüber den USA und China als Kernproblem identifiziert. Hinzu kommt, dass Europa seine ambitionierten Investitionsziele – Digitalisierung, Dekarbonisierung, Verteidigungsfähigkeit – bislang nicht mit ausreichenden finanziellen Ressourcen hinterlegt. Laut Draghi müsste die Investitionsquote in Europa um rund fünf Prozentpunkte des BIP steigen. Ohne eine produktivitätssteigernde Industriepolitik drohe die EU, ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit zu verlieren. Für Österreich bedeutet dies, dass auch seine Exportperspektiven zunehmend von der europäischen Industrie- und Innovationspolitik abhängen. 
Vor diesem Hintergrund rückt auch die Frage nach neuen außenwirtschaftlichen Schwerpunkten und resilienteren Marktstrukturen in den Vordergrund. Die Herausforderung liegt darin, jene Marktsegmente und Regionen zu identifizieren, in denen österreichische Unternehmen ihre technologischen und qualitativen Stärken ausspielen können – und gleichzeitig ihre Abhängigkeit von wenigen, konjunktur- und politikabhängigen Absatzmärkten verringern.
Empfohlen wird eine breitere geografische Diversifizierung. Deutschland und der EU-Binnenmarkt bleiben zwar zentrale Anker, auch die USA sind ein wichtiger – wenn auch mit Unsicherheiten behafteter – Exportmarkt. Gleichzeitig gewinnen ausgewählte Staaten des Nahen Ostens sowie stabile asiatische Partner wie Japan, Südkorea und Singapur an Bedeutung. Mit MERCOSUR eröffnen sich zudem neue Chancen in Südamerika. 
Für die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Exporte ist jedoch nicht nur die Marktdiversifizierung entscheidend, sondern auch die technologische Weiterentwicklung der Exportprodukte. Wachstumspotenziale bestehen insbesondere bei Life Sciences, Chemie, Pharmazie und grünen Technologien. Eine gezielte Förderung technologisch anspruchsvoller und klimarelevanter Exportgüter kann Österreichs Position im internationalen Wettbewerb stärken und die Widerstandsfähigkeit gegenüber globalen Handelsrisiken erhöhen.

 

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