Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Innovatives Vorarlberg – Wenn Neues entsteht

Juli 2023

Über den Innovationspreis, innovative Unternehmer und die generelle Bedeutung von Innovation für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg. Publizist Wolf Lotter nennt Innovation übrigens „das Kind einer Kultur der Neugier“.

Eine Technologie, die gebrauchte E-Fahrzeugbatterien als Energiespeicher nutzbar macht. Eine neuartige Methode, um Unkraut auf Bahngleisen chemiefrei zu beseitigen. Ein Bootsfender, der um mehr als die Hälfte seiner Größe reduziert werden kann, um Platz zu sparen. Ein weltweit einzigartiges Echtzeit-Vermessungssystem für den Tiefbau, mit dem sich Baufortschritte beispielsweise aus dem Büro verfolgen lassen. Eine Produktinnovation in Form von Schwellensohlen, die Gleisverwerfungen auf Eisenbahnstrecken vorbeugen. Und eine intelligente drahtlose Beleuchtung, die Interoperabilität zwischen Smart-Home-Geräten und Internet-of-Things-Plattformen verschiedener Anbieter ermöglicht.

Signal und Ansporn
Das sind, vereinfacht beschrieben, die Innovationen jener sechs Vorarlberger Unternehmen, die Mitte Juni in der Otten Gravour in Hohenems mit dem Vor-arlberger Innovationspreis ausgezeichnet wurden. „Innovation ist der Nährstoff, der Nährboden für die nachhaltige Entwicklung des erfolgreichen Standorts“, sagte Wilfried Hopfner, Präsident der Wirtschaftskammer Vor-arlberg, „und genau dafür stehen die Preisträger und deren Innovationen.“ Der Preis, von der Wirtschaftskammer Vorarlberg und dem Land Vorarlberg seit 1989 im Abstand von zwei Jahren vergeben, ist Auszeichnung und Beleg für die Innovationskraft der heimischen Unternehmen. „Es geht um die Vorbildwirkung“, sagte Landeshauptmann Markus Wallner in Hohenems: „Der Innovationspreis wirkt nach außen, er wird wahrgenommen und wertgeschätzt, er ist Signal und Ansporn zugleich.“ 
Magdalena Meusburger, Dozentin für Entrepreneurship an der Fachhochschule Vorarlberg, schließt da an. Der Innovationspreis, sagt Meusburger im Interview (siehe Seite 17) sei für die Bevölkerung, speziell aber für die junge Generation, äußerst wichtig: „Da werden Menschen und Ideen präsentiert, mit denen man sich identifizieren kann, an denen man sich unternehmerisch orientieren kann.“
Das ist immens wichtig. Denn für den Standort Vorarlberg, sagte Wirtschaftslandesrat Marco Tittler, sei es geradezu existenziell, „Unternehmen zu haben und zu halten, die sich mit innovativen, hochwertigen, nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen im globalen Wettbewerb der Zukunft behaupten können.“ Am teuren Standort Vorarlberg sei Innovation der Schlüssel zum Erfolg: „Innovation ist, wenn man so will, die Grundlage unseres Wohlstandes.“

Ausprägungen
Innovation hat verschiedene Ausprägungen, sie kann disruptiv sein oder inkrementell. Während im Rahmen der disruptiven Innovation neue Produkte, neue Dienstleistungen oder neue Prozesse entwickelt werden, handelt es sich bei einer inkrementellen Innovation in erster Linie um die evolutionäre Weiterentwicklung von einem Produkt oder einer Dienstleistung. „Etwas schon Bestehendes wird schrittweise verbessert oder angepasst, um neuen Kundennutzen zu erzielen, Kosten zu reduzieren, neue Märkte zu erschließen oder um auf externe Veränderungen wie neue Gesetze reagieren zu können“, heißt es dazu in einem deutschen Fachblatt. Für Vorarlberg ist diese Definition von großer Bedeutung. Denn in dieser inkrementellen Innovation ist Vorarlberg sehr gut, sagt Jimmy Heinzle, der Geschäftsführer der Wirtschaftsstandort-Gesellschaft: „Vor-arlbergs Unternehmer sind sehr stark, wenn es darum geht, zuzuhören, was am Markt gebraucht wird und das Gewünschte dann in Form neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen relativ schnell und mit hoher Qualität umzusetzen.“ Kontinuierliche Innovation, sagt Magdalena Meusburger, „ist essenziell, um für den Standort einen Fortschritt und nachhaltigen Impact zu kreieren“.

Evolution statt Revolution
Aber nehmen wir doch ein Beispiel zur Konkretisierung, ein Beispiel abseits der aktuellen Preisträger: Die Firma Fink Zeitsysteme, die ihren Kunden Module für Zeiterfassung bietet und damit im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich ist. „Evolution statt Revolution“, steht auf der firmeneigenen Homepage, Firmenchef Stefan Fink wird mit den Worten zitiert: „Wir haben immer das Prinzip einer steten Entwicklung verfolgt.“
Drehen wir im Gespräch mit Stefan Fink das Rad der Zeit zurück? Das Unternehmen wird 1975 von Stefans Vater Kurt Fink gegründet, als Österreich-Vertretung der renommierten deutschen Uhrenfabrik Bürk. Bürk, ein 1855 gegründetes Unternehmen in Villingen-Schwenningen stellt mechanische Zeiterfassungssysteme aller Art her, Wunderwerke der Technik. Villingen-Schwenningen gilt dank der Zahl und der Bedeutung der dort ansässigen Uhrenindustriebetriebe seit Jahrzehnten als „größte Uhrenstadt der Welt“. Zusammen mit einem Mitbewerber, ebenfalls aus dieser baden-württembergischen Stadt, ist Bürk das bedeutendste deutsche Unternehmen für technische Uhren. 
Für das neu gegründete Vorarlberger Unternehmen ist die Sache eine Chance. Kurt Fink handelt erfolgreich mit den klassischen Stempeluhren von Bürk, er verkauft sie, serviciert und wartet sie, schult die Kunden in der Bedienung.
Und dann? Ändert sich mit Beginn der 1980er-Jahre in dieser Branche Wesentliches. Die Elektronik erhält Einzug, erste Prozessoren entstehen, die Zeit mechanischer Zeiterfassungssysteme läuft ab. Doch die Uhrenfabrik Bürk verpasst die Entwicklung. „Die haben das nicht geschafft“, sagt Stefan Fink. Bürk, das traditionsreiche Unternehmen, muss 1984 Konkurs anmelden, wird letztlich zur Tochtergesellschaft eines Schweizer Konzerns. In dem einstigen Firmensitz in Villingen-Schwenningen befindet sich heute ein Uhrenindustriemuseum.

Von entscheidender Bedeutung
Landesrat Tittler sagte in Hohenems: „In einer Welt, die sich rasant verändert, in einer Zeit, die immer schnelllebiger wird, kommen Herausforderungen in immer kürzeren Zyklen auf die Unternehmer zu.“ 
Fink? Reagiert damals rechtzeitig auf die Zeichen der Zeit, reagiert auf den Umbruch in der Branche. 1983 entstehen erste Kontakte mit einer englischen Firma, die als eine der ersten moderne, elektronische Zeiterfassungsgeräte herstellt. Kurt Fink ist überzeugt vom Neuen. Er sieht die Chance und beginnt, mit den Engländern zusammenzuarbeiten. Wie zuvor mit den Erzeugnissen von Bürk handelt der Vorarlberger nun mit den Produkten aus England, Kurt Fink bietet seinen Kunden nun keine rein mechanischen Systeme mehr an, sondern elektronische. 
„Mein Vater“, sagt Stefan Fink, „hat frühzeitig erkannt, dass in unserem Geschäftsfeld die Elektronik Einzug halten und die Mechanik verschwinden wird. Und er hat entsprechend gehandelt.“
Und doch ändert sich kurze Zeit später wieder alles: Die Engländer, deren Programm noch auf DOS läuft, schaffen den Sprung auf Windows nicht. Auf der Suche nach einem neuen Partner wird Kurt Fink ausgerechnet wieder in Villingen-Schwenningen fündig. Dort bietet eine Firma eine Windows-Applikation an. Das Vorarlberger Unternehmen integriert diese neue Software in die Terminals der Engländer – und kann seinen Kunden bis Anfang der 2000er-Jahre damit erneut ein Produkt am Puls der Zeit anbieten. 

Eine Kultur der Neugier
Doch was ist Innovation eigentlich? Wolf Lotter, Mitbegründer und Leit-artikler des Wirtschaftsmagazins „Brand eins“, schreibt in einem seiner Bücher: „Innovation ist das Kind einer Kultur der Neugier, verbunden mit Geduld und Durchsetzungsvermögen. Innovatoren sind Unternehmer. Ihre Arbeit braucht Begeisterung, Ausdauer, Nüchternheit, Know-how, Leidenschaft, Pragmatismus, von allem reichlich. Das Neue kommt als Widerspruch zur Normalität zur Welt, und Widerspruch ist auch das Wesen der Innovation.“ 
Lotter ist Publizist. Stefan Battlogg ist Unternehmer, Gründer des weltweit erfolgreichen Mechatronik-Unternehmens Inventus. Und doch liegen da der Publizist und der Unternehmer auf einer Linie. Denn Battlogg hatte in „Thema Vor-arlberg“ einmal gesagt: „Es braucht einen offenen Geist, eine bestimmte Kultur und auch ein Gefühl für den Markt, was gefragt sein könnte. Und es braucht Beharrlichkeit.“ Innovation sei kein Selbstläufer, sondern stets das Ergebnis harter Arbeit, auch das hatte Battlogg betont.

Eigene Wege
Im Mai 2000 steigt Stefan Fink im Familienunternehmen ein. Nach einem Studium der technischen Informatik in St. Gallen. „Ich war technisch sehr interessiert, ich wollte entwickeln“, sagt der 50-Jährige, „habe zunächst kleinere Projekte umgesetzt, dann aber eine eigene, webbasierte Software geschrieben.“
Die Software erscheint 2008, nur wenige Monate nach dem iPhone der ersten Generation. Mit dieser Software ändert sich Wesentliches bei „Fink Zeitsystemen“. Im Zuge der Digitalisierung setzt man nun selbst auf die Entwicklung der Software, entwirft auch die Terminals und lässt letztere in Vorarlberg produzieren. „Seit Beginn der iPhone-Ära sind wir mit webbasierten Produkten und Dienstleistungen genau in diesem Bereich am Markt.“

Das Urteil der Wirtschaftsforscher
Ein Beleg für die Innovationskraft der heimischen Unternehmen lässt sich einer im Vorjahr publizierten Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) entnehmen. Dort heißt es, unter anderem: „Nach unseren Analysen verfügt Vorarlberg über ein stark unternehmerisch geprägtes regionales Innovationssystem, das bei günstiger Relation zwischen Mitteleinsatz und Innovationsoutput auch im Vergleich mit dem europäischen Konkurrenzumfeld sehr viele Inventionen hervorbringt.“ Gemessen an den europäischen Patentanmeldungen, einem Indikator für Innovationskraft, ist Vorarlberg den Wirtschaftsforschern zufolge gar „hervorragend positioniert“.
Die regionale Patentquote liegt demnach beim „Dreifachen des Durchschnitts“ jener 49 Regionen Europas, mit denen Vorarl-berg in besagter Studie verglichen wird. In Mid-Tech-Bereichen werden von Vor-arlberg aus zahlreiche, inkrementelle Inventionen zum Patent angemeldet, laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut sind aber „auch Forschungsstärken in hoch-technologischen Nischen evident“, beispielsweise in der Mikro- und Nanoelektronik. 

Ein grundlegender Wandel
Auf der heutigen Produktpalette von „Fink Zeitsystemen“ befinden sich nach Angaben des Unternehmens „neben Systemen zur Erfassung und Planung von Auftrags-, Projekt- und Arbeitszeiten auch Lösungen für die Fahrzeugerfassung und Zutritt.“ Man ist bei vielen Unternehmen, in allen Branchen im Einsatz. Laut Stefan Fink lassen sich mit den flexiblen Systemen „sämtliche Arbeitszeiten, Aufträge, Tätigkeiten oder Kostenstellen unkompliziert am Smartphone, Tablet, Terminal, mobilen Barcodescanner oder am Computer erfassen“. In den 48 Jahren seines Bestehens war das Vorarlberger Unternehmen also stets am Puls der Zeit, hat auf die Entwicklungen frühzeitig reagiert und sich dabei auch von einem Handelsunternehmen zu einem Komplettanbieter eigener Produkte gewandelt. „Fink Zeitsysteme“ mit Hauptsitz in Altach hat heute selbst Niederlassungen und eigene Vertretungen in Österreich und in den Nachbarländern. 

Und die Schwächen?
In der Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Österreich heißt es, dass das Vorarlberger Innovationssystem gute Grundlagen biete, um den Standort auch nachhaltig in der kleinen Gruppe der industriellen Innovation Leader in Europa zu positionieren: „Dazu wären aber verbliebene Schwächen in der Forschungs- und Finanzierungsstruktur zu überwinden.“ Laut Studie stammen neun Zehntel der in Vorarlberg eingesetzten Mittel für Forschung und Entwicklung aus dem Unternehmenssektor: „Hier trägt der Bund mangels ausgebauter universitärer Forschungsstrukturen und ihrer Finanzierung nur ein Zwanzigstel des für die Bundesländer Üblichen zur regionalen Forschungsfinanzierung bei.“ Dabei ist der Bereich „Forschung und Entwicklung“ die Basis aller Innovationen. Und zu erwähnen wäre noch, was der deutsche Innovator Fried Große-Dunker jüngst bei einem Referat an der Fachhochschule Vorarlberg sagte: „Bürokratie ist das, was den Nährboden für Innovation langsam, aber sicher austrocknet.“ Auch das zeigt: Innovation ist wahrlich kein Selbstläufer. Innovation ist Arbeit.

Auf Wachstumskurs
„Wir haben von Anfang an auf Innovation gesetzt und die notwendigen Umstellungen gut mitgemacht“, sagt Stefan Fink. Und was bringt die Zukunft? „Wir sind auf Wachstumskurs.“ 

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