Konfliktlösung im Unternehmen: Eine Frage der Haltung
Konflikte. Jeder kennt sie. Keiner will sie. Warum ist das so? Konflikte blockieren Prozesse und Entscheidungen, sie stören und sind emotional anstrengend. Und doch begleiten Konflikte unser Leben, sei es in der Familie, in persönlichen Beziehungen oder im Beruf. Aber sie erscheinen regelmäßig wie ungebetene Gäste, die sich in unseren Alltag schleichen. Die meisten Menschen versuchen deshalb, Konflikte zu vermeiden oder sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Das gilt auch im Unternehmen, denn die Erfahrung zeigt: Wer im Konflikt steht, der ist weit weniger in der Lage, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.
Konfliktkosten
Wer Führungsverantwortung trägt, verbringt einen nicht unwesentlichen Teil seiner Zeit damit, Konflikte zu organisieren. In Untersuchungen zu Konfliktkosten ist die Rede, dass Führungskräfte 30 bis 50 Prozent ihrer Wochenarbeitszeit damit verbringen, Reibungsverluste, Konflikte oder Konfliktfolgen zu bearbeiten. Häufig geht es um Zieldifferenzen, um Territorialkämpfe und um Machterhalt, insbesondere, wenn es an Respekt oder Anerkennung mangelt. Aber auch die Verteilung von Ressourcen wie Budget, Personal oder Raum sind relevante Themen. Die Ursachen sind vielfältig, denn in einer globalisierten Arbeitswelt, die durch Krisen und eine hohe Veränderungsdynamik geprägt ist, lassen sich Spannungen und Meinungsverschiedenheiten nicht vermeiden. Wie die Unternehmen damit umgehen, beeinflusst maßgeblich das Betriebsklima, die Produktivität und letztlich auch den wirtschaftlichen Erfolg. Werden Konflikte nicht konstruktiv genutzt und bearbeitet, können sie die Leistungsfähigkeit und Effizienz erheblich einschränken. Anzeichen dafür sind erhöhte Krankenstände, hohe Fluktuation, der häufige Stellenwechsel von Spezialistinnen und Spezialisten oder die mangelhafte Kundenorientierung im Unternehmen. Konfliktlösung spielt deshalb in vielen Betrieben eine zentrale Rolle und gilt zunehmend als Wettbewerbs- und Kostensenkungsfaktor. In einer viel zitierten Studie von KPMG ist nachzulesen, dass circa 25 Prozent des Umsatzes von der Kommunikationsqualität im Unternehmen abhängen. Die tatsächlichen Konfliktkosten lassen sich allerdings nur schwer ermitteln: Konflikte sind häufig nicht direkt sichtbar oder messbar und nehmen unterschiedlichste Formen an. Viele Organisationen kämpfen zudem mit einem dauerhaften Muster ungelöster Konflikte. Das ist nicht nur teuer, sondern weist auf grundlegende organisatorische Fehlfunktionen hin.
Von der Belastung zur Ressource
Konflikte am Arbeitsplatz sind unerwünscht und werden zumeist als Hindernis gesehen. Schade eigentlich, denn der professionelle Umgang mit Konflikten kann eine wertvolle Ressource für Entwicklung und Wachstum sein. Führungskräfte, die sich als geschulte Konfliktmanager um den Sand im Getriebe kümmern, decken in der Regel auch Schwachstellen in Prozessen und Strukturen auf, die ansonsten unbemerkt bleiben. Konflikthafte Episoden in Besprechungen oder Workshops offenbaren etwa unterschwellige Bedürfnisse, abweichende Meinungen und unausgesprochene Erwartungen. Diese Aspekte ans Licht zu bringen und gezielt anzugehen, fördert die Kommunikation und das Verständnis zwischen Menschen, die zusammenarbeiten. Das stärkt nicht nur das Team. Führungskräfte bekommen über den konstruktiven Umgang mit strittigen Situationen wichtige Einblicke in die Stimmung und in die tieferliegenden Strukturen im Unternehmen. Wer in der Lage ist, Konflikte als Ressource zu erkennen, der schafft ein Arbeitsumfeld, in dem man sich traut, seine Ideen und Bedenken offen zu äußern. Das trägt zur Weiterentwicklung der Unternehmenskultur bei und stärkt das Engagement. Mit dieser Haltung bekommt der Konflikt eine neue Bedeutung. Er ist weniger „potenzielle Belastung“, als vielmehr „wertvolle Ressource“. Unternehmen, denen es gelingt, den Konflikt als Katalysator für Veränderung und Verbesserung zu nutzen, gewinnen an Resilienz und Flexibilität. Mit diesem Verständnis lässt sich eine Kultur gestalten, die wichtige Voraussetzungen für nachhaltige Optimierung und langfristigen Erfolg bereithält.
Konflikte brauchen Ordnung
Veränderte Kundenbedürfnisse, die angespannte Wirtschaftslage oder das Tempo, mit dem die neue EU Regulatorik zur Taxonomie umgesetzt werden muss, stellt viele Betriebe vor große Herausforderungen, der Veränderungsdruck ist enorm. Vor diesem Change-Hintergrund kann eine konflikthafte Episode ohne klare Regeln und Strukturen schnell außer Kontrolle geraten und zu einem größeren Problem werden. Effektives Konfliktmanagement im Betrieb steht dabei für eine geordnete Herangehensweise und für Methoden, die je nach Art, Intensität und Auftreten des Konflikts variieren. Regelmäßige Feedback-Gespräche und Team-Meetings sind wirksame Formate, um Missverständnissen vorzubeugen und Konflikte anzusprechen, bevor sie sich verhärten.
Konflikt- und Kommunikationstrainings helfen, Mitarbeitende und Führungskräfte zu sensibilisieren und deren Fähigkeiten im Umgang mit Konflikten zu stärken. Neutrale Dritte, die als Mediatoren auftreten, unterstützen dabei, festgefahrene Konflikte zu bearbeiten, indem sie objektiv bleiben und zwischen den Parteien vermitteln. Aber nicht alle Konflikte lassen sich lösen. In vielen Sachverhalten ist ein Kompromiss, bei dem beide Parteien Zugeständnisse machen, das beste Ergebnis, das zu erzielen ist. Und manchmal gibt es Fälle, bei denen eine Trennung mit Anstand und Respekt alles ist, was man erreichen kann.
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