Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„nur bis zu einem gewissen Punkt“

November 2021

Wie ist dem Klimawandel zu begegnen? Nachhaltigkeitsforscher Fred Luks regt im Rahmen des „Caritas Forums 2021“ an, den Fokus in der öffentlichen Debatte nicht länger auf den Verzicht, sondern auf den zu erwartenden Zugewinn an Lebensqualität zu richten. Im Übrigen müsse auch in einer nachhaltigen Welt „Platz für Unvernunft und Verschwendung“ sein.

Unter dem Motto „Sozial. Öko? Logisch!“ fand dieser Tage in St. Arbogast das „Caritas Forum 2021“ statt, in diversen Gesprächsformaten und mit Referaten ausgewiesener Experten. Einig waren sich die Teilnehmer in ihrer Forderung, dass es entschiedenes Handeln brauche, um dem Klimawandel entsprechend begegnen zu können. Caritasdirektor Walter Schmolly beispielsweise sagte, dass „ökologische, soziale und wirtschaftliche Fragestellungen in unserer Gesellschaft neu und intensiver miteinander verschränkt werden“ müssten, Caritaspräsident Michael Landau wiederum zitierte Barack Obama: „Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt und gleichzeitig die letzte, die etwas dagegen tun kann.“ Doch was tun? Wie argumentieren?

Platz für Unvernunft

Hauptreferent Fred Luks fand in seinem Vortrag und in einem anschließenden Interview klare Worte. Der Nachhaltigkeits- und Transformationsforscher sagte etwa: „Wir haben nicht die Wahl, ob es Wandel gibt. Wir haben nur die Wahl, den Wandel zu erleiden – oder ihn zu gestalten.“ Und doch ist Luks mit der öffentlichen Debatte, so wie sie derzeit geführt wird, nicht ganz einverstanden.
So stört den Forscher der Umstand, dass es stets heiße, es sei in Sachen Klimawandel bereits „5 vor 12“: „Es ist in der öffentlichen Debatte zwar wichtig, die Dringlichkeit zu sehen, aber ich halte es strategisch für heikel, zu sagen, wir hätten nur noch eine Generation, nur noch zehn Jahre Zeit.“ Man werde länger brauchen, auch habe man in Rechnung zu stellen, dass zur Nachhaltigkeit nicht nur die Natur und die Bewahrung eines menschenverträglichen Klimas, sondern auch der Mensch und die Gesellschaft gehören. „Und eine Gesellschaft“, sagte Luks, „lässt sich nicht im Ho-Ruck-Verfahren ändern. Man muss sie so umbauen, dass möglichst viele den Weg mitmachen und mitgehen können.“
Der Ökonom würde deshalb Themen der Nachhaltigkeit – optimierter Ressourcenverbrauch, besser in die Natur integrierbare Produktions- und Konsumprozesse und die Frage, was wirklich wesentlich ist – um einen entscheidenden Zusatz erweitern. „Um Opulenz!“ Denn auch in einer nachhaltigen Gesellschaft, betonte Luks, müsse Platz sein für Unvernunft und für Verschwendung. Der Mensch müsse auch in der künftigen, nachhaltigen Welt das Leben weiterhin feiern können und feiern dürfen.
Wenn Nachhaltigkeit zur gelebten Normalität werden solle, müsse die Politik die Rahmenbedingungen drastisch ändern, das hatte Luks bereits in seinem Referat gesagt: „Entscheidend ist, dass ökologische Politik auch sozial verträglich sein muss und umgekehrt Sozialpolitik ökologisch verträglich.“Die Debatte, warf die Moderatorin ein, sei von Verzichtsrhetorik und von Appellpolitik geprägt. Luks antwortete, manche seien der Ansicht, man brauche die Angstrhetorik beispielsweise einer Greta Thunberg: „Das ist schon so, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, weil sich diese Rhetorik irgendwann auch abnützt.“ Und offenbar auch einen falschen Fokus setzt. Denn laut Luks wäre ein Diskurs, der nicht den Verzicht, sondern die Lebensqualität in den Mittelpunkt rücke, um vieles attraktiver. Dazu aber müsse man eben weg von diesen Aussagen, dass in Zukunft alles weniger sein müsse und nur noch vernünftig zu sein habe, „langfristig motivierender ist doch die Vision, dass wir uns gemeinsam ein besseres Leben organisieren.“ Kampfrhetorik motiviere kurzfristig, „aber wenn wir dagegen die Schönheit der Welt sehen, erweitert das unseren Blick und macht uns bereit für Herausforderungen“. Auch forderte der Publizist einen Ausbruch aus der bisher gepflegten Nachhaltigkeitsblase, einen Ausbruch aus diesen eingeschränkten Diskursen, in denen nur Menschen miteinander reden würden, die sich zu einig seien: „So wichtig gegenseitige Bestätigung auch ist, da draußen gibt es viele Menschen, denen das Thema vollkommen egal ist. Mit denen müssen wir ins Gespräch kommen.“ Man könnte in Luks Sinn wohl auch sagen: preaching to the converted bringt nichts, bereits Bekehrten muss nicht mehr gepredigt werden. 

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