„Wir haben das Falsche perfekt gemacht“
Der deutsche Umweltpionier und Chemiker Michael Braungart referierte auf Einladung von Ökoprofit im WIFI in Dornbirn – und erklärte dort unter anderem, warum Nachhaltigkeit der falsche Weg ist: „Es geht nicht darum, weniger schädlich zu sein, es geht darum, nützlich zu sein.“
Michael Braungart ist ein weltweit gefragter Mann. Steven Spielberg und Bill Clinton zählen zu seinen Fans, die Lufthansa, Phillips und Nike zu seinen Kooperationspartnern – und sein Buch „Cradle to Cradle“ steht in einer Liste der bahnbrechenden Wissenschaftsbücher der Welt, es findet sich dort – beispielsweise – neben Charles Darwins „Entstehung der Arten“.
Auf Einladung von Ökoprofit hielt der Umweltpionier nun im WIFI in Dornbirn ein ausführliches Referat, im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal der Wirtschaft. Und was Braungart zu sagen hatte, das sorgte für Aufmerksamkeit. Ein Zitat gefällig? „Die Menschen denken, es ist Umweltschutz, wenn man nur weniger kaputt macht. Das aber ist so, als würde man sagen, schütze dein Kind und schlage es nur fünfmal am Tag, nicht zehnmal.“
Braungart illustrierte das Gesagte an folgendem Beispiel: „Autoreifen halten heute doppelt so lange wie vor 30 Jahren. Und die Menschen denken sich, das schützt die Umwelt.“ Von wegen. Denn vor drei Jahrzehnten seien die 470 Chemikalien, die bei der Herstellung von Reifen verwendet werden, auf der Straße haften geblieben, „heute aber werden sie eingeatmet, heute landen sie im Bodensee. Über die Hälfte des Mikroplastiks im Bodensee ist Reifenabrieb.“ Noch ein Beispiel? Kataloge von Möbelhäusern hatten Braungart zufolge vor 30 Jahren insgesamt 90 giftige Stoffe enthalten; mit viel Aufwand habe man erreicht, dass ein solcher heute in Österreich oder Deutschland gedruckter Katalog „nur mehr“ 50 giftige Stoffe enthalte. „Und wo liegt jetzt der Unterschied zwischen 90mal erschossen zu werden oder nur 50mal? Das Zeug ist immer noch Sondermüll.“ In beiden Fällen, und in vielen anderen, habe der Mensch also nur „das Falsche perfekt gemacht.“ Oder anders formuliert: „Wir machen die falschen Sachen perfekt und damit perfekt falsch.“
Dem 61-Jährigen zufolge beginnt der Fehler im Denken bereits bei der Definition von Nachhaltigkeit, die Bedürfnisse der jetzigen Generation zu erfüllen, ohne den zukünftigen Generationen zu schaden. „Wie traurig ist das denn? Erzählen Sie Ihren Kindern zuhause, dass sie ihnen nicht schaden wollen?“ Nachhaltigkeit heiße verzichten, sparen, minimieren; und sei damit letztlich ein wirtschaftsfeindliches Konzept. Und: „Mit Nachhaltigkeit optimiert man nur das Bestehende, und wenn das Bestehende falsch ist, machen sie es damit nur gründlich falsch.“ Auch deswegen kann der Deutsche dem Begriff „Klimaneutralität“ nichts abgewinnen, stecke doch auch dahinter der falsche Gedanke, man schütze die Umwelt, wenn man nur ein bisschen weniger Schweinereien mache: „Es gibt keinen Schutz durch nur weniger Zerstörung.“
Seine Philosophie? Ist eine andere. Sein Credo lautet, Produkte so herzustellen, dass sie nach ihrem Verschleiß oder nach ihrer Nutzung wieder in die Kreisläufe zurückkehren: „Es geht nicht darum, weniger schädlich zu sein, es geht darum, nützlich zu sein und einen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, den man feiert.“ Dem Gesagten folgte abermals ein Beispiel. Braungart hat „essbare Möbelbezugsstoffe“ entwickelt, die nach dem Verschleiß als Torfersatz in Gärtnereien verwendet werden können.“ Und das aus gutem Grund: Denn herkömmliche Möbelbezugsstoffe seien derart giftig, dass Zuschnitte als Sondermüll verbrannt werden müssten. Also: Torfersatz oder Giftmüll, was ist nützlicher?
Für Braungart ist Umwelt „kein Moralthema, sondern ein Innovationsthema“ und „die einzige Chance für die europäische Wirtschaft“, habe Europa doch den Anschluss verloren, in sämtlichen Bereichen, mit Ausnahme eben des Umweltbereichs. Dort, sagt der Forscher, sei, vor allem in Österreich, ein Know-how entstanden, mit dem sich Profit machen lasse. Doch auch in diesem Bereich regt Braungart neue Wege und neue Geschäftsmodelle an. Er will Produkte zu Dienstleistungen machen. Und illustriert dies etwa am Beispiel von Teppichböden: „Der Hersteller verkauft den Kunden nur noch zehn Jahre Nutzung.“ Danach gehe der ohne jeden Giftstoff erstellte Teppich wieder an den Hersteller zurück, der könne das Material wiederverwerten und der Kunde bekomme einen neuen. Die Sache funktioniert bereits, selbstredend mit einem von ihm entwickelten Teppich, der mit besten Materialien hergestellt, auch aktiv die Luft reinigt und Feinstäube an sich bindet. „Lassen Sie uns alle Dinge neu denken“, sagte Braungart, „es ist Zeit, zu handeln.“
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