Sabine Barbisch

Der DNA auf der Spur

März 2023

Der aus Alberschwende stammende Biochemiker Martin Huber hat Österreich kurz nach dem Studium verlassen und lebt seit rund zwanzig Jahren in den USA. Dort forscht der 51-Jährige mit seinem eigenen Unternehmen „Quantapore“ an der DNA-Sequenzierung – und vermeldet große technologische Fortschritte. 

Die faszinierende Komplexität biologischer Systeme und gleichzeitig der wissenschaftliche Prozess diese Komplexität zu verstehen, das beeindruckt mich. Dabei ist eine wissenschaftliche Theorie nur so lange wahr bis eine neue Theorie, die auf besseren Daten basiert, sie ersetzt. Es gibt kein Dogma, alles kann und soll hinterfragt werden.“ So erklärt Martin Huber seine Passion für die Biologie. Die Wissenschaft habe ihn immer schon interessiert, die Schule hat er folglich als „interessante Zeit“ erlebt. Nach der Matura ist er dem Ruf der Wissenschaft gefolgt: Im Rahmen seines Studiums in Wien hat er sich auf die Fächer Biologie, Genetik und Biochemie spezialisiert. Danach war rasch klar, dass ihn sein nächster Schritt ins Ausland führen würde, denn die „Anzahl der Jobs auf dem Gebiet der Genetik und Biochemie war zu der Zeit in Österreich begrenzt“. 2003 wanderte Martin Huber mit seiner Frau Anika Schinko in die USA aus, er wurde Senior Scientist bei „Nanosphere“ in Chicago. Dort wurden auch die Kinder Zoe (19) und Aaron (16) geboren. 
Da der Rest der Familie weiterhin in Österreich lebt, ist der Bezug zur Heimat trotz der Auswanderung vital: „Ich hatte eine glückliche Kindheit und erinnere mich gerne daran, wie viel mit meinen vier Geschwistern immer los war: Die Bergtouren auf so ziemlich alle Gipfel im Bregenzerwald, bei der Oma in Schoppernau nach einem Schitag am Kachelofen aufwärmen. Im Sommer das Baden an der Subersach, später mit der Puch175 meines Großvaters durch Vorarlberg fahren oder ein Bier mit Freunden im damaligen ‚Vakanz‘.“ 
Seit knapp einem Jahr ist Martin Huber nun österreichisch-amerikanischer Doppelstaatsbürger: „Das war wichtig für mich, weil wir mit einigen von der US-Regierung geleiteten Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten – und als Nicht-Amerikaner ist es unmöglich, diese zu betreten“, erklärt der Gründer von „Quantapore“, jenem Unternehmen, das eine neue Methode zur DNA-Sequenzierung entwickelt hat. 

Von der Entzifferung der DNA
Bei diesem neuen Zugang werden die vier Bausteine der DNA, oder genauer die Abfolge, sprich Sequenz, dieser Bausteine entschlüsselt. Jeder Mensch hat drei Milliarden dieser DNA-Bausteine, die in langen Molekülen aneinandergereiht – den Chromosomen – die gesamte Information speichern, die unsere Entwicklung, aber auch die dauernde Funktion eines jeden Menschen auf zellulärer Ebene speichert und steuert. Vor genau zwanzig Jahren wurde das erste Mal die gesamte DNA eines Menschen entziffert, ein Prozess der zehn Jahre dauerte und Kosten von mehreren Milliarden Dollar verursachte. 
„Heute können wir“, sagt Huber, „ein Genom, also die gesamte DNA, in ein paar Tagen für etwa 1000 Dollar entziffern“. Mit der innovativen Technologie von „Quantapore“ könnte der Preis nun auf 100 Dollar verringert werden und die Auslesung in einigen Stunden erfolgen. Erfinder Huber erklärt: „Dabei werden einzelne DNA-Moleküle in einem elektrischen Feld durch sogenannte Nanoporen geschleust und währenddessen die Sequenz ausgelesen. Diese Nanoporen sind sehr schmale Kanäle mit etwas 50 Nanometer Durchmesser. Zur Einordnung: Ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter! Wir haben etwa eine Million dieser Nanoporen in einem Siliziumchip integriert, wo dann die einzelnen DNA-Moleküle ausgelesen werden.“
Die DNA-Sequenzierung bezeichnet Huber schon heute als „Goldstandard in der Molekulardiagnostik“, speziell in der Onkologie werde routinemäßig die Tumor-DNA untersucht, um dann eine individuell angepasste Behandlung vorzunehmen. „Aber auch in der Infektionsbiologie wird immer häufiger die DNA-Sequenzierung verwendet, um die Art der Infektion festzustellen.“ 

Fokus auf Technologieentwicklung 
Aber nicht nur diese bahnbrechende Technologie kommt aus dem Hause „Quantapore“: Vor einem Jahr hat das Team seine Forschung in eine neue Richtung gelenkt, wie Martin Huber erklärt: „Die Entwicklung steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber nimmt mittlerweile einen ziemlich großen Teil unserer Forschungsaktivität ein: Dabei verwenden wir unseren Nanopore-Chip, um Proteine direkt zu identifizieren beziehungsweise zu quantifizieren.“ Bisher existiert dafür keine vergleichbare Technologie. Die ersten Ergebnisse sind laut Martin Huber „sehr vielversprechend“. Bei dieser sogenannten Proteinsequenzierung steht die Forschung aktuell noch ganz am Beginn, in der Diagnostik und Grundlagenforschung werden laut dem Biochemiker 30 Jahre alte Technologien verwendet, um Proteine zu untersuchen. „Und es gibt nicht wirklich eine Technologie, die das gesamte Proteom, also alle Proteine in einer Zelle, analysieren kann. Deshalb sind wir überzeugt, dass, wenn wir unsere Technologie für Proteine anpassen können, die Diagnostik einen großen Schritt nach vorne machen wird.“ 
Als Gründer von „Quantapore“ war er von Anfang an in alle Bereiche des Unternehmens involviert, später lag sein Fokus auf den einzelnen Finanzierungsrunden – und natürlich stets auf der wissenschaftlichen Arbeit. Im Oktober 2022 folgte der Aufsichtsrat dem Vorschlag von Martin Huber einen CEO zu bestellen, der sich auf die Kommerzialisierung spezialisiert: „Seitdem kann ich mich als CTO um die weitere Technologieentwicklung, wie zum Beispiel die angesprochene Protein-Sequenzierung, kümmern. Die Zügel aus der Hand zu geben war am Anfang schwer, trotzdem ist es eine Entscheidung, die ich nicht bereue.“

Lebenslauf

Martin Huber, * 12.2.1972, wuchs in Alberschwende auf und studierte Biologie und Genetik in Wien, 2001 promovierte er in Genetik und Biochemie. Er arbeitete bei „VBC Biotech“ in Wien (1999 bis 2003), dann bei „Nanosphere“ in Chicago (2003 bis 2008) und bis zu dessen Börsegang beim Start-up „Ion Torrent Systems“. Mit „Quantapore“ gründete er 2010 sein eigenes Unternehmen in Kalifornien, und war als CEO tätig. Seit Oktober ist Huber CTO mit dem Fokus auf die Technologieentwicklung. Mit seiner Frau und den Kindern Zoe (19) und Aaron (16) lebt er in Menlo Park, Kalifornien. 

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