Eva Blimlinger

Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien, 2018 bis Juni 2019 Präsidentin der uniko – Österreichische Universitätenkonferenz, dem Zusammenschluss aller 22 österreichischen Universitäten.

Die europäische Bodenseeuniversität – ein Zukunfts- … nein, ein Gegenwartsvorhaben

September 2019

Braucht Vorarlberg eine Universität? Ja, unbedingt, eine europäische Universität, die Internationale Bodenseehochschule als bereits jetzt größter hochschulartenübergreifender Verbund im Zentrum mit weiteren Universitäten und Hochschulen aus mehreren Ländern Europas. Eingereicht werden sollte das bei der nächsten EU-Ausschreibung Ende 2019 oder 2020.

Die aktuelle Diskussion in Vorarl­berg über die Errichtung einer eigenen Universität ist nicht neu und eine immer wiederkehrende – wiewohl, eigentlich gibt es sie schon die Universität, aber dazu etwas später. Mitte der 1970er Jahre, rund um die Neuorganisation der Universitäten durch das Universitätsorganisationsgesetz 1975, gab es durchaus die Idee, eine Universität in Vorarlberg zu errichten. Eines der Argumente für eine Universität war, man könne dadurch potentielle Studierende im Land halten und ihnen ein Studium daheim ermöglichen. Der damalige Landeshauptmann Herbert Keßler sah das jedoch ganz anders: In den „Vorarlberger Nachrichten“, im Jänner 1976, hielt er „auch weiterhin am Grundsatz fest, daß Innsbruck die Vorarlberger Landesuniversität ist“ – eine bemerkenswerte Haltung eines Landeshauptmannes. Und so war es auch: Dem Hochschulbericht von 1972 kann man entnehmen, dass von den 1127 Vorarlberger Studierenden (von insgesamt 43.014 in Österreich) 761 an der Universität Innsbruck studierten, also fast zwei Drittel. Insgesamt betrug der Anteil der Studierenden an der 18- bis unter-26jährigen Wohnbevölkerung 4,1 Prozent und nur das Burgenland und Niederösterreich lagen dahinter, auch zwei Bundesländer ohne Universität, woraus sich durchaus schließen lässt, Universitäten im Bundesland erhöhen die Zahl der Studierenden.
Manches von dem, was Keßler damals als Maßnahmen im sekundären und tertiären Sektor 1976 ankündigte, konnte erfolgreich umgesetzt werden: 1977 wurde das Musik-Konservatorium gegründet, die HTL in Dornbirn wurde ausgebaut, 1989 wurde der Verein „Technikum Vorarlberg“ gegründet, der schließlich 1993 zur ersten österreichischen Fachhochschule führte; sie sind die Basis der Internationalen Bodenseehochschule.
Keßler meinte auch „vorerst wolle man am bewährten Weg festhalten und danach trachten, möglichst vielen Vorarl­bergern den Anschluß an die benachbarten Hochschulen (Innsbruck, St. Gallen, Zürich) zu ermöglichen.“ Ganz so einfach war das damals jedoch nicht vor dem Beitritt zur EU und dem Assoziationsabkommen der Schweiz mit der EU, es waren hohe bürokratische Hürden zu überwinden. Nicht zuletzt diese Situation, aber auch die Möglichkeit, stärker im Bereich der Forschung und Entwicklung zu kooperieren, veranlasste die Internationale Bodenseekonferenz 1999 zur Gründung der Internationale Bodensee-Hochschule IBH. Und so darf ich das gleich zum Anlass nehmen, sehr herzlich zum 20-jährigen Jubiläum zu gratulieren.

Die IBH ist der größte hochschulartenübergreifende Verbund Europas, und das muss Vorarlberg für die Entwicklung einer europäischen Universität aus meiner Sicht unbedingt nützen. Die IBH ermöglicht die Zusammenarbeit von 30 Hochschulen aus Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz in Wissenschaft, Forschung, Kunst, Lehre und Transfer – von der Exzellenzuniversität Konstanz bis zum Vorarlberger Landeskonservatorium, welches demnächst Universität wird, von der Universität Liechtenstein bis zur Fachhochschule Vorarlberg, von der Universität St. Gallen bis zur PH Vorarlberg. Was ist zu tun? Die ersten drei Schritte:

1. Zunächst Kooperationen von Hochschulen fördern, die gemeinsame Studien anbieten, und zwar im dreigliedrigen System, Bachelor, Master und PhD. Studien, die auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt in der Bodenseeregion in Verbindung stehen und somit hochqualifizierte Absolventinnen hervorbringen, die den Fachkräftemangel lindern. Damit einhergehend ein Stipendiensystem, das Studierende ausreichend fördert, damit sie nicht erwerbstätig sein müssen, sondern sich aufs Studium konzentrieren können. Nicht in Professor_innenstellen in der Schweiz investieren, sondern in Studierende, in den Nachwuchs – das muss die Devise sein, will man perspektivisch für Wirtschaft und Gesellschaft geeignete Maßnahmen setzen. 

2. Verstärkte länderübergreifende Projekteinreichungen bei den Forschungsförderungsinstitutionen, sei es die DFG, der FWF, die FFG, der Schweizer Nationalfonds oder auch EU-Programme im Bereich der wissenschaftlichen, aber auch der künstlerischen Forschung. Im Bereich der angewandten Forschung muss eine stärkere Zusammenarbeit mit Unternehmen in Vorarlberg und der Bodenseeregion etabliert werden. 

3. Und jedenfalls die Entwicklung eines Antrags für die Errichtung einer Europäischen Universität. Dafür muss es aus meiner Sicht eine breite Unterstützung in den Ländern und auch eine gesonderte Projekt-Finanzierung dieser Entwicklung geben. Was zu Keßlers Zeiten galt, muss, ja darf heute nicht mehr gelten. Die Bodenseeregion steht in Konkurrenz mit allen führenden Regionen in der EU – und Vorarlberg ist immer innovativ, zukunftsorientiert und selbstbewusst genug, um hier eine Vorreiterrolle am Bodensee zu übernehmen. Ich denke, all das wäre zum großen Vorteil für Vorarlberg eine gelungene und letztlich für alle gewinnbringende Investition. 
Die Zukunft für Vorarlberg ist die Europäische Bodenseeuniversität – die Chancen stehen gut. Vorarlberg sollte sie jedenfalls nützen.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.