Christof Thöny

Geheimnisse der weißen Kunst: Geistliche in Warth als Pioniere des Fremdenverkehrs

Mai 2020

Für die Skisaison in der Gemeinde Warth, die aufgrund der derzeitigen Situation rund um den Corona-Virus Mitte März ein sehr abruptes Ende fand, war auch ein historisches Jubiläum geplant. Vor 125 Jahren hinterließ im Winter 1894/95 der erste Skiläufer in Warth seine Spuren: Pfarrer Johann Müller. Er hatte sich „Schneeschuhe“ aus Skandinavien besorgt, die er für die winterliche Fortbewegung am schneereichen Tannberg für nützlich hielt. Pfarrer Müller ist damit nach Viktor Sohm (der sich schon 1887 als solcher am Gebhardsberg betätigte) der zweite dokumentierte Skiläufer in Vorarlberg. 
In jener Zeit lagen die Orte am Tannberg fernab des zivilisatorischen Fortschritts. Sie waren von klein strukturierter Landwirtschaft im Gebirge geprägt, die jedoch in zunehmendem Maße weniger rentabel wurde. Auf die wirtschaftlichen Probleme weist etwa die Abnahme der Bevölkerung in Warth während des 19. Jahrhunderts hin.

Pfarrer Johann Müller und die Anfänge des Skilaufs

Johann Müller war ab 1891 als Pfarrprovisor in Warth tätig und wurde am 11. April 1894 zum wirklichen (d. h. offiziell ernannten, nicht provisorischen) Pfarrer von Warth ernannt, dem ersten seit 25 Jahren. Als solcher blieb er bis Juli 1896 und bezog in jenem Jahr die Pfarre Großdorf. Der 1868 in Blons geborene Müller stammte aus einer großen Familie und wurde im Juni 1891 nach dem Studium in Brixen zum Priester geweiht. Als solcher war Warth seine erste Dienststelle.
Von 1896 bis 1903 wirkte Müller als Pfarrer in Großdorf, bis er schließlich zum Direktor der Landeswohltätigkeitsanstalt Valduna berufen wurde. Diese Funktion behielt er bis zum 2. September 1938 inne; an jenem Tag wurde er von Gestapomännern zur Übergabe der Anstalt gezwungen. Nach zwei Jahren der Wanderschaft, die ihn über Italien und ein dalmatinisches Kloster führten, kehrte er nach Bludenz zurück. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er als Hauskaplan im Herz-Jesu-Heim in Rankweil, wo er am 18. Juni 1949 verstarb. 
Neben seinen umfangreichen Tätigkeiten in Warth – in seiner Amtszeit wurde etwa die heutige Pfarrkirche erbaut – ist Pfarrer Johann Müller heute in erster Linie als Skiläufer im Gedächtnis geblieben. Im Vorarlberger Volksblatt berichtete Müller 1948 am Ende seines Lebens über seine ersten Versuche mit Skiern. Im Nachwinter 1894/95 hatte er in der Zeitschrift „Der deutsche Hausschatz“ ein Bild entdeckt, dass Skiläufer in Skandinavien darstellte. Er bestellte sich daraufhin solche „Bretter“, die vom Briefboten Jakob Felder vom Postamt Steeg im Lechtal geliefert wurden. Um nicht ausgelacht zu werden, übte er zunächst nachts, um dann schließlich die erste Fahrt nach Lech zu wagen. In der Folge benutzte Müller die von ihm so bezeichneten „Schwedischen“ als Fortbewegungsmittel in der Tannbergregion. In der Schuljugend von Warth und Lech fand er bald Nachahmer, wobei zunächst diese zunächst vor allem Faßdauben verwendeten.
Wie auch andere Skipioniere hatte Pfarrer Johann Müller der einheimischen Bevölkerung vor Augen geführt, dass Schneeschuhe (später als Skier bezeichnet) ein praktisches Mittel der winterlichen Fortbewegung waren. Diese wurden in der Folge beispielsweise in der Jagd eingesetzt.

Pfarrer Josef Essl und die Pension Pfarrhof

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg begann sich der Fremdenverkehr in Warth langsam zu entwickeln. Eine wichtige Pionierrolle nahm dabei ein weiterer Geistlicher ein, der aus Kössen in Tirol stammende, 1883 geborene Pfarrer Josef Essl. Er begann 1924, Gäste in der sogenannten „Pension Pfarrhof“ zu bewirtschaften. Ein Jahr später erhielt Essl die Konzession zum Betrieb einer Fremdenpension. Über die Erweiterung dieser Konzessionsurkunde hat sich aus dem Sommer 1926 ein umfangreicher Schriftverkehr erhalten. Pfarrer Essl stellte beim Amt das Ansuchen um Ausschank von Wein und Bier an seine nächtigenden Pensionsgäste sowie an durchreisende Passanten. An Letztere deshalb, weil dieselben bei mir Einkehr halten und ein Aufenthalt nicht geplant ist, wenn die Witterungsverhältnisse günstig sind. Seiner Meinung nach, und dabei schloss er auch verschiedene Faktoren der Gemeinde und übriger fremdenverkehrsfreundlichen Stellen mit ein, welche die Verhältnisse in Warth und seinem Betrieb kannten, würde nichts gegen eine Ausdehnung der Konzession sprechen, da an Einheimische keine geistigen Getränke verabreicht würden, da dafür die Lokalwirtschaft Huber, zum „Tirolerhof“, bestünde. Neben dem Gendarmeriekommando schalteten sich der Weihbischof von Feldkirch und die Gemeinde ein. Mehrere Zuschriften deutscher Verbände sowie der Universität Berlin lobten den Pfarrer als Gastgeber, brachten für ihn aber nicht das gewünschte Ergebnis. Pfarrer Essl hatte offenbar genug und verließ Warth 1928. Nach seinem Weggang wurde auch die Beherbergung von Gästen im Pfarrhof beendet.
Von Pfarrer Essl hat sich mehrere Jahrzehnte ein originelles Objekt erhalten. Der engagierte Geistliche hatte eine Kreuzwegstation aus der Pfarrkirche übermalt und als Hinweisschild für seinen Betrieb genutzt. Er ist heute jedoch weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Von seinem Vorgänger Pfarrer Müller ist jedoch allenthalben die Rede. Seit mehreren Jahren bietet die Skischule Warth Freeridetouren an, die sich auf seinen Spuren bewegen.

Literaturtipp

Geheimnisse der weißen Kunst.
Warther Skigeschichte(n),
ISBN: 9783902319173

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