Lars Jaeger

hat Physik, Mathematik, Philosophie und Geschichte studiert und mehrere Jahre in der Quantenphysik sowie Chaostheorie geforscht. Er lebt in der Nähe von Zürich, wo er – als umtriebiger Querdenker – zwei eigene Unternehmen aufgebaut hat, die institutionelle Finanzanleger berat en, und zugleich regelmäßige Blogs zum Thema Wissenschaft und Zeitgeschehen unterhält. Seine letzten Bücher „Die Naturwissenschaften. Eine Biographie“ (2015) und „Wissenschaft und Spiritualität“ (2016) sind bei Springer Spektrum erschienen.

An was glauben wir in der Corona-Krise? – An die Wissenschaft

April 2020

Wie gebannt schaut die Welt jeden Tag auf die neuesten Corona-Zahlen. Für die meisten von uns ist es ein Schock, was zurzeit in der Welt passiert, die wir bislang als sicher und stabil erachtet haben: Hamsterkäufe, Schulschließungen, Ausgangssperren, Börsencrashes usw. So etwas hatte es für die meisten bisher nur in apokalyptischen Romanen oder Filmen gegeben. Doch wie fragil unsere Welt tatsächlich ist und wie man dem begegnen soll, beschreibt der italienische Lehrer Domenico Squillace auf wunderbar literarische Art und Weise seinen Schülern, indem er ihnen den Roman „Die Verlobten“ aus dem 19. Jahrhundert zur Lektüre empfiehlt. Darin beschreibt der Autor Alessandro Manzoni die Situation in Italien während der Pest des Jahres 1630.
So schreibt der Direktor eines mailändischen Gymnasiums von erstaunlichen Parallelen zur Situation in seinem Land im März 2020: „Es ist ein aufschlussreicher Text von außerordentlicher Modernität, ich schlage vor, dass Sie ihn sorgfältig lesen, besonders in diesen verworrenen Tagen. In diesen Seiten ist bereits alles enthalten, die Gewissheit, dass Fremde gefährlich sind, der Streit der Behörden, die krampfhafte Suche nach dem so genannten Patienten Null, die Verachtung von Experten, die Jagd auf Krankheitsüberträger, die unkontrollierten Stimmen, die absurdesten Heilmittel, das Hamstern von Grundnahrungsmitteln, der Gesundheitsnotstand [...] Kurz gesagt, mehr als in Manzonis Roman scheinen diese Worte aus den Seiten einer Zeitung von heute zu kommen.“
Einen bedeutenden Unterschied erkennen wir jedoch zum Krisengeschehen des Mittelalters und der frühen Neuzeit: Damals sahen die Menschen als den einzigen Heilsbringer das Gebet und ihren Glauben an Gott. Zu ersterem versammelten sie sich oft in großen Gruppierungen, was die Verbreitung der Krankheitserreger noch verstärkte. Heute liegt die Hoffnung der Menschen woanders: In den Fähigkeiten der Wissenschaftler, so schnell wie möglich einen Impfstoff gegen das Virus zu entwickeln. Experten gehen davon aus, dass ein solcher bereits in einem Jahr oder noch schneller zur Verfügung stehen wird. So ist es teils erstaunlich, wie Wissenschafts­skeptiker à la Donald Trump oder Michael Pence, Jair Bolsonaro oder Viktor Orban und viele Zeitgenossen, die exzessiv die Kommentar-Funktionen in Blogs nutzen, sich nun zu den Wissenschaftlern wenden und sie drängen, die Welt doch so schnell wie möglich von der Geisel des Corona-Virus zu befreien. 
Trump forderte die Wissenschaftler auf, einen Impfstoff noch vor der Präsidentschaftswahl im November fertig zu haben, und ist auf einmal sogar bereit, viel Geld für die Wissenschaften auszugeben (teils gab es sogar Presseberichte, die sich auf deutsche Regierungskreise beziehen, dass er die Firma CureVac aus Deutschland mit Geld nach Amerika locken will, um einen Impfstoff exklusiv für sein Land zu entwickeln). Nun sollen die verhassten Wissenschaftler also seine Präsidentschaft retten. Bei den Verdammern wissenschaftlicher Erkenntnisse wie Klimawandel, Evolutionstheorie, Epidemie-Gefahren und zuweilen auch der Relativitätstheorie und den Apologeten der wissenschaftlichen Methode und ihrer rationalen und empirischen Suche nach Lösungen, zumindest in intellektueller Hinsicht, scheint das Virus eine sehr positive Ansteckungswirkung erzielt zu haben. 
Es ist also ganz so, wie Domenico Squillace seinen Schüler schreibt: „Im Vergleich zu den Epidemien des vierzehnten und siebzehnten Jahrhunderts haben wir die moderne Medizin auf unserer Seite, ihren Fortschritt, ihre Gewissheiten, wir nutzen den rationalen Gedanken, dessen Tochter sie ist, um das wertvollste Gut zu bewahren, das wir besitzen, unser soziales Gefüge, unsere Menschlichkeit.“

Kommentare

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Es geht um einen riesigen Wirtschaftszweig....Wenn es um Gesundheit gehen würde, würden wir anders reagieren!!!! Am Sterbebett meinte Pasteur zur Bechamp Theorie noch „Die Mikrobe ist nichts, das Milieu ist alles“, was soviel bedeutet, dass man über eine Milieuregulierung besser die Grundlage schaffen kann, damit sich keine Bakterien, Keime entwickeln können. Ein „Krieg“ gegen die Bakterien, Viren mit den Antibiotika, kann einerseits Resistenzen verursachen und andererseits wirken sie gegen Viren gar nicht.