Erhard Busek

Abschied von einer Epoche – was kommt neu?

Mai 2016

Dass die aktuelle Wahl des Bundespräsidenten eine Zäsur darstellt, ist schon hinlänglich festgestellt worden. Das Ergebnis und dessen Deutung wird uns noch lange beschäftigen, aber wie sieht die Zukunft der Politik und der Demokratie in Österreich aus? Und wie werden die gestaltenden Kräfte in Hinkunft wirken – vor allem auch bei welchen Themen?

Allein jetzt ist bemerkenswert, dass auf beiden Seiten der Regierungskoalition die Dramatik der Wählerentscheidung nicht zur Kenntnis genommen wurde und man allgemein die Umfragen dafür verantwortlich gemacht hat, ohne zu überlegen, dass vielleicht die Kandidatenauswahl nicht die richtige war. Neu war weiters auch, dass mit Irmgard Griss jemand aufgetreten ist, der quasi aus dem Nichts kam und dafür ein respektables Ergebnis erzielt hat. Alexander Van der Bellen muss geahnt haben, dass die Distanz zu seiner Partei notwendig ist, sonst hätte er nicht die Notlüge fabriziert, dass er ein unabhängiger Kandidat sei. Ebenso wird es interessant sein, wie in Zukunft die von Frau Dr. Griss mobilisierten Wähler in Erscheinung treten, aber das spielt erst später eine Rolle. Viel entscheidender wird sein, dass es in der nächsten Zeit die unterschiedlichen Versuche geben wird, sich entweder an den Erfolg der FPÖ anzuhängen oder dagegen Meinungsbastionen zu errichten. Es sei jedenfalls davor gewarnt, nun wieder die Nazi-Keule auszupacken, um damit auf die FPÖ und Herrn Hofer einzudreschen. Das spielt für eine jüngere Generation keine Rolle mehr und verhindert nur die intensive Beschäftigung damit, warum die Wahl so ausgegangen ist. Mag sein, dass es das Alter der Kandidaten war, wohl aber war es in erster Linie die Unzufriedenheit mit der Regierung, die durchgehend immer versucht hat, das, was sie zustande gebracht hat, als einen Erfolg zu verkaufen. Wer aber ein bisschen mit Wirten redet, weiß, dass die Registrierkasse und die permanenten Kontrollen ebenso nicht ermunternd wirken, ein Unternehmen zu führen, wie die Tatsache, dass die Fragen der Schul- und Bildungsreform schlicht und einfach nicht weiterkommen. Wenn es nur mehr darum geht, wer die Lehrer anstellt, dann merkt man, dass auch nicht ernstlich an eine Auseinandersetzung mit diesem so wichtigen Thema für unsere Zukunft gedacht ist.

Apropos Verwaltung: Schon längere Zeit ist das Wort „Verwaltungsreform“ der kürzeste Witz in der österreichischen Innenpolitik. Wir erleben eine Zunahme des Administrierens der Kontrolle und natürlich auch der dadurch entstehenden finanziellen Belastungen. Es geht mir nicht darum, wieder einmal das Schlagwort „mehr privat, weniger Staat“ zu bemühen, sondern darauf zu verweisen, dass der grundsätzlich berechtigte Wunsch nach mehr Sicherheit in allen Lebenslagen nicht nur in der Öffentlichkeit zu mehr Kontrollen führt. Leider sind aber die Reaktionen zur Situation gegenteilig: Europa und weitestgehend die Welt haben ein Sicherheitsproblem, und wir glauben, dass wir das mit zusätzlichen Panzern und Kampfhubschraubern ausgleichen können. Die Geschehnisse in Brüssel (Metrostation, Flughafen) und in Paris (Konzertsäle und Restaurants) sind nicht mit militärischen Mitteln zu verhindern. Es braucht mehr Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste – das braucht man uns nicht zu erzählen, sondern muss es eben durchsetzen. Hier wäre allerdings etwas mehr Europa erforderlich – die Regierung hat sich aber dem Gegenteil verschrieben. Das Errichten von Zäunen, die Propagierung von „Festungen“ und eine ähnlich gewalttätige Sprache führen letztlich dazu, dass es keine subtile Auseinandersetzung mit dem Thema selbst gibt, dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden soll. Natürlich wäre es zuallererst die Integration, aber da braucht es schlicht und einfach mehr Personal und Mittel in geeigneter Weise in den Schulen und Bildungseinrichtungen. Hier sieht man aber den Marketingfehler der Regierung: Für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist kein Geld da, aber für Polizei und Militär gibt es plötzlich über zwei Milliarden! Wie glaubwürdig ist das, angesichts einer in Wirklichkeit steigenden Steuerbelastung, die durch die Steuerreform keineswegs gebremst ist?

Apropos Strukturen: Eine der Überraschungen der jüngsten Entwicklung ist die Lebendigkeit der Civil Society, etwa bei der Flüchtlingsfrage. Da war es mit Sicherheit nicht richtig, für eine entsprechende Finanzierung ihrer Aktivitäten zu verlangen, dass Spenden abgezogen werden müssen von dem, was vom Staat dazugezahlt werden soll. Früher hat der Staat Spenden  noch verdoppelt … Aber auch die Artikulation dieser Civil Society interessiert eigentlich niemanden. Wir haben in Wirklichkeit ein Medienproblem, wobei das elektronische Zeitalter dazu führt, dass die Art der Kommunikationen sich durchaus verdichtet hat. Ob die Regierungsparteien gut beraten sind, eine Unmenge von Geld in Inserate zu stecken, nur um Eigentümer und Chefredaktionen von Zeitungen gewogen zu halten? Hier schließt sich der Kreis zur Bildungsfrage, denn es wäre sicher interessant, ein Mehr an offenen Bildungsvorgängen zu eröffnen mit den modernen Medienmitteln. Der ORF hat seinen Charakter als öffentlich-rechtliche Anstalt längst verloren, auch er läuft um den Kuchen staatlicher Förderungen und um das entsprechende Wohlwollen der politischen Parteien, wie es Generaldirektor Wrabetz auch jetzt hinlänglich bewiesen hat.

Ein eigenes Kapitel sind die Beziehungen zur Welt rund um uns herum. Auch wir sind längst unter die Euroskeptiker gegangen, ohne zu erkennen, dass wir in hohem Ausmaß von der Effektivität der europäischen Zusammenarbeit abhängen. Die Abschottungsvorgänge gegenüber den Nachbarn sind nur ein Symbol dafür, wobei es anstelle dessen notwendig wäre, mit den Nachbarn lebendigeren Austausch und Möglichkeiten der Kooperation zu suchen. Die Beziehung zur europäischen Landschaft besteht nicht nur darin, welche Routen wir schließen können und wo endlich wieder Pässe kontrolliert werden müssen, sondern darin, mehr Kooperationen zu erzielen, und das nicht nur im Bereich der Wirtschaft, sondern genauso auch bei Bildung und Kultur.

Das allerdings verlangt, dass wir uns über den Inhalt von Europa im Klaren sind, denn der Kontinent wird nach wie vor unser Schicksal sein. Wir Europäer sind nur mehr sieben Prozent der Weltbevölkerung und etwas über 20 Prozent der wirtschaftlichen Leistung und durchaus in Gefahr, marginalisiert zu werden. Wäre es nicht eine interessante Diskussion, die man der Jugend anbieten könnte, über die Rolle, die wir in dieser europäischen Entwicklung im Rahmen der Globalisierung spielen wollen? Das allerdings verlangt Fantasie und Freude an Aktivität. Das Land hat nach wie vor ausgezeichnete Voraussetzungen, nur ist es dazu notwendig, auch entsprechende Motivation zu liefern. Die Politik muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie in ihrem gegenwärtigen Erscheinungsbild anregend wirkt und zukunftsinteressiert. Ich fürchte nicht, und das schmerzt mich!

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