Lydia Arantes

Delphina. Kleine Frau ganz groß

Dezember 2025

Delphina Burtschers „Lebensgeschichte“ ist die erfolgreichste Publikation der Schriftenreihe Nenzing. Wir, ihre Enkelinnen Lydia und Sarah, erzählen sie weiter und vermitteln sie mit feinsinnigen Illustrationen von Anna Stemmer-Dworak.

Delphina, die jüngste Tochter der ärmlichen Großfamilie Burtscher, wohnhaft in Sonntag-Stein im hintersten Walsertal, geriet in den 1940er-Jahren in die Fänge des NS-Regimes. Zwei von ihren Brüdern, Willi und Leonhard, sowie ihr Verlobter Martin kehrten nach einem Heimaturlaub nicht mehr an die Front zurück und bauten eine kleine Widerstandsgruppe auf. Die junge Delphina versorgte und verköstigte sie. Nach einem Jahr des Versteckens und Versteckt-Haltens wurde die Familie schließlich verraten und kam in „Sippenhaft“. Martin sowie einer von Delphinas Brüdern, Willi, wurden vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und im Dezember 1944 in Graz enthauptet.
Delphina, grad erst 18-jährig, war damals von Martin schwanger. Nach der Geburt des Kindes im September 1944 durfte sie noch einige Monate beim Baby bleiben, wurde schließlich im März 1945 in Rothenfeld bei München inhaftiert, während das wenige Monate alte Baby bei der Mutter ihres hingerichteten Verlobten blieb. 
Warum ein weiteres Buch über die Geschichte von Delphina? – Bereits in den 1990er-Jahren war das regionale Interesse an der Widerstandsgeschichte geweckt worden, als 1996 eine Drehorgel-Sendung mit Delphina Burtscher von Radio Vorarlberg ausgestrahlt wurde. Die Geschichte der sozial wie geografisch marginalisierten Familie Burtscher wird mittlerweile von Historikerinnen und Historikern im In- und Ausland erforscht und zieht in der Fachwelt ihre Kreise. Im 2023 erschienenen Buch von Peter Pirker und Ingrid Böhler mit dem Titel „Flucht vor dem Krieg“, welches aus einem dreijährigen Forschungsprojekt zu NS-Wehrmachtsdeserteuren hervorgeht, spielt die Geschichte ihrer Familie samt des erst vor Kurzem aufgefundenen Reichskriegsgerichtsakts eine zentrale Rolle. 
Auch auf internationalem Terrain stößt sie auf Anklang: So wird Delphinas Geschichte im Rahmen der im August 2024 eröffneten internationalen Wanderausstellung zum Reichskriegsgericht, welche von der Gedenkstätte ROTER OCHSE (Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt) kuratiert wurde, im österreichischen Teil neben Franz Jägerstätters Geschichte dem interessierten Publikum präsentiert. Die Ausstellung war bereits in Halle/Saale, Warschau und Berlin und zieht im Februar weiter nach Oslo. 
Dieses vielfältige Interesse an Delphina – mittlerweile eine der 100 Personen, die am Widerstandsmahnmal in Bregenz namentlich erwähnt werden – möchten wir aufgreifen und ihre Geschichte in die breitere Öffentlichkeit hinaustragen. Gerade seit der Entdeckung des Reichskriegsgerichtsakts – ein wahrer Sensationsfund für Historikerinnen und Historiker, da er nur durch Zufall der großflächigen Aktenvernichtung durch das NS-Regime entging – sind neue Facetten der Geschichte bekannt.
Wir erzählen die bekannte Geschichte jedoch nicht nur einfach ein weiteres Mal nach, sondern spannen mit unserem Buch einen transgenerationalen Bogen über die Zeiten hinweg. Mit Unterstützung von Kunstschaffenden aus der Region – der Illustratorin Anna Stemmer-Dworak, des Dramaturgen Tobias Fend, der Grafikerin Anuschka Fink – arbeiten wir an einer erinnerungskulturellen Graphic Novel, die anlässlich Delphinas 100. Geburtstag im Sommer 2026 beim Residenz-Verlag in Salzburg erscheint. 
Warum eine Graphic Novel? Wir erinnern das Dritte Reich üblicherweise über die Täterperspektive. Unsere Erinnerung ist überfrachtet mit Schwarzweißbildern aus der Sicht der Täterinnen und Täter, mit Propagandafilmen und -bildern, mit zu Dokumentationszwecken des Regimes erstellten Darstellungen. Eine Graphic Novel schafft unter anderem die Möglichkeit, die individuellen wie gesellschaftlichen Erinnerungsbilder zu erweitern und eine Sprache zu finden für das, was über Generationen hinweg unsagbar war. Darüber hinaus ist Krieg in der öffentlichen Wahrnehmung oft eine „männliche Sache“. Dementgegen verschaffen wir hier einer weiblichen und marginalisierten Stimme widerständigen Handelns Gehör. 
Die „gezeichnete Geschichte“ für Jung und Alt verwebt Delphinas Erinnerungen mit unserer Enkelinnen-Perspektive und lädt ein, über Krieg, Mut und das Weitertragen von Erinnerung nachzudenken – inspirierend, beherzt, voller Menschlichkeit und Humor.

Projekt „Delphina“ 

Die über 200 handgefertigten Zeichnungen brauchen Zeit und Hingabe, weshalb die Umsetzung des Buches sehr kostspielig ist. Wir konnten bereits viele Fördergeber überzeugen, dieses Vorhaben finanziell zu unterstützen, unter anderem: Gemeinde Nenzing, Gemeinde Sonntag, AK Vorarlberg, Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Zukunftsfonds der Republik Österreich, Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus. Dennoch klafft immer noch eine Finanzierungslücke. Gemeinsam mit Mit.Einander und Respekt.net haben wir deshalb eine Spendenkampagne gestartet und bitten um Unterstützung. Als Dank winken viele kreative Goodies. Auch für Firmensponsoren ist etwas dabei!

Wer direkt überweisen möchte:
Empfänger: Respekt.net GmbH
IBAN: AT60 3200 0001 1104 3536
Verwendungszweck: Delphina 2780 [plus eigene Emailadresse, um informiert zu werden]

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