Doping-Prävention
Bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Seefeld gab es mit Aufmerksamkeit garantierendem Timing Ende Februar eine Dopingrazzia. Fünf Sportler galten danach als Doping-Straftäter, zwei weitere Sportler bekannten sich in der Folge zur Zusammenarbeit mit einem Arzt aus Erfurt. Mittlerweile wurden wohl weitere Sportler ausgeforscht – die Gesamtzahl soll auf 21 angewachsen sein.
Nach wie vor sind die Bilder wohl bei vielen präsent – zuverlässige Informationen sind allerdings mit heutigem Stand wenige verfügbar. Wie bei laufenden Verfahren üblich kommunizieren die Behörden sehr zurückhaltend. Öffentlich verfügbar sind nur Interviews und Medienberichte – der Wahrheitsgehalt beider Quellen ist durchaus mit Vorsicht zu genießen. Ohne die eigentlich gebotene Vernunft und Sachlichkeit gab und gibt es emotionale Diskussionen und noch emotionalere und grenzüberschreitende (Vor)-Verurteilungen – gerade im Internet scheint es keine Schranken mehr zu geben. Der Spitzensport steht zu unrecht unter Generalverdacht.
Eindeutig ist, dass eine Entscheidung für Doping durch nichts zu rechtfertigen und keinesfalls zu entschuldigen ist. Solche Entscheidungen werden immer bewusst getroffen (ausgenommen natürlich Fälle, in denen in einem staatlich gesteuerten System Jugendlichen Mittel ohne ihr Wissen verabreicht werden). Ziel muss es sein, die Entwicklung von Athleten so zu begleiten, dass sie im Fall der Fälle als mündige Athleten eigenverantwortlich ihre Entscheidung gegen Doping treffen können. Mündigkeit bedeutet eine gewisse charakterliche Entwicklung, aber auch das Wissen um trainings- und ernährungswissenschaftliche sowie medizinische Zusammenhänge. Der erste Samen wird oft durch die unreflektierte Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln im Nachwuchsalter gesät. Jeder hat die Möglichkeit, Nein zu sagen – und sehr viele tun das auch.
Für eine Analyse, wie bestehende Präventionsmaßnahmen allenfalls weiterentwickelt und optimiert werden könnten, ist aus den eingangs geschilderten Gründen vor allem auf frühere Fälle, die besser dokumentiert sind, zurückzugreifen. Die durchaus auffälligen Parallelen aus vergangenen Dopingfällen zeigen Ansatzpunkte für Weiterentwicklungen auf. Insgesamt sind die Szenarien allerdings derart vielschichtig, dass es nicht das eine Patentrezept geben kann. Basis ist klarerweise ein Kontrollsystem, das weltweit auf den gleichen Standards in Kontrolle und Ahndung aufsetzt.
Oft hört man von Gabelungen, an denen Athleten stehen, und von einem schleichenden Prozess über einen längeren Zeitraum hin bis zur Entscheidung. Sehr häufig sind dabei Konstellationen festzustellen, wo nach starken Platzierungen in Juniorenbewerben die Erfolge nach einem Wechsel in die Elite ausbleiben. In der Elite sind die Konkurrenten dann in aller Regel auf einem deutlich höheren Niveau – wenn sich nach einigen Jahren harter Arbeit wenig sportlich Zählbares angesammelt hat, steigt die Versuchung. Der sportliche Erfolg erscheint aber als absolute Notwendigkeit für ein erfülltes Leben – vor allem, weil es keine Alternative zum Sport gibt. All jene Athleten, denen eine ordentliche Berufsausbildung neben dem Sport ermöglicht wurde, haben hingegen diese Alternative.
Druck ist oft einer der Auslöser. Athleten machen sich selbst den allermeisten Druck, sie müssen jedoch durch die permanente Ergebnisorientierung jede Menge zusätzlichen Druck aushalten: Öffentlich werden über Fans, Medien, Verbandsfunktionäre und Förderinstitutionen nicht haltbare Erwartungen geschürt. Gerade in Österreich sind (nach oben wie nach unten) überzogene Einschätzungen an der Tagesordnung. Realismus und eine Fokussierung auf die Leistungsentwicklung könnten entlastend wirken.
Einen dritten Ansatzpunkt bietet das fehlende Unrechtsbewusstsein. Kognitiv ist das Wissen um die Verbote zwar eindeutig und klar, im Bewusstsein ist es allerdings weniger stark verankert. Dieses kognitive Wissen wird oft beiseitegeschoben und in etwas „geparkt“, was beinahe wie eine zweite Persönlichkeit wirkt. Dem kann mit der Etablierung einer entsprechenden Kultur in der Sportart, die das Positive am Dopingverzicht in den Mittelpunkt stellt, entgegengewirkt werden.
Vermutlich ist keinem der Athleten bewusst, welche Folgen sein Vergehen hat. Die Betrachtungsweise ist sehr ichbezogen. Was ein Dopingfall für das gesamte Umfeld, die jeweilige Sportart und den Sport insgesamt bedeutet, ist selten bewusst. Hier könnten ehemaliger Dopingtäter viel abschreckende Aufklärungsarbeit leisten.
Immer wieder taucht in der Diskussion der Denkansatz der Freigabe von Doping auf – eine absolut denkunmögliche Idee. Auf den ersten Blick wirkt die Freigabe fair und medizinisch „sicher“, weil die verschiedenen Methoden dann legal unter medizinischer Kontrolle und nicht mehr heimlich angewendet werden. Betrüger werden aber weiterhin betrügen – das Match findet nur auf einem höheren, gesundheitsgefährdenderen Niveau statt. In Bereichen außerhalb der Weltspitze, also auch im Amateur- und unter Umständen sogar im Nachwuchsbereich, gäbe es mangels leistbarer guter medizinischer Anleitung sicherlich Todesfälle. Und wer kann es vertreten, Eltern von begeisterten Nachwuchssportlern zu erklären, dass ihr Sprössling irgendwann mit medizinischen Methoden, die Risiken und fehlendes Wissen über Langzeitfolgen mit sich bringen, auf ein höheres Leistungsniveau gebracht werden wird?
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