Sabine Barbisch

Im Ausland: Von der Lust, Neues zu wagen

Dezember 2023

Juliane Hefel, eine gebürtige Feldkircherin, ist Top-Managerin bei einem US-amerikanischen Industriekonzern. Ein Gespräch über ihre Herkunft, ihren Werdegang und ihren Aufstieg.

Im US-amerikanischen Pittsburgh hat PPG seinen Hauptsitz. Der internationale Konzern ist auf die Herstellung von Farben, Beschichtungen und Spezialmaterialien spezialisiert und beschäftigt über 50.000 Menschen. Seit etwas mehr als einem Jahr ist eine Feldkircherin Teil des global tätigen Unternehmens: Juliane Hefel ist „Vice President Global Specialty Coatings & Materials“ und hat damit die Geschäftsverantwortung für einen der neun globalen Unternehmensbereiche von PPG (Pittsburgh Plate Glass Co.) übernommen. Damit managt sie rund 700 Mitarbeitende in sechs Produktionsstätten sowie Forschungszentren.
Das Tätigkeitsfeld mag abstrakt klingen, doch vermutlich sind wir alle bereits mit PPG-Produkten in Berührung gekommen. „Als Unternehmen, das Beschichtungen für sämtliche Anwendungen herstellt, haben wir eine kritische Rolle darin, Oberflächen – vom Auto über Flugzeuge oder Laptops bis hin zu Gebäuden und Industrieanlagen –, länger haltbar zu machen“, erklärt Juliane Hefel. Dadurch sei es möglich, die Effizienz im Produktionsprozess zu erhöhen, den Einsatz von Ressourcen zu reduzieren und folglich Anwendungen nachhaltiger zu gestalten. Der Bereich, den die 48-Jährige leitet, trägt unter anderem dazu bei, dass Menschen besser sehen, weil die optische Materialien, die PPG produziert, später zu Brillengläsern werden. „Wir liefern aber auch Komponenten, um Pässe und andere Identitätsdokumente so fälschungssicher wie möglich zu gestalten und bringen die Farben in Handydisplays zum Leuchten, mit der energiesparenden OLED-Technologie, die wir gemeinsam mit einem Partner exklusiv produzieren.“
Die Vielfalt der Themen und Komplexität der Aufgaben prägen Juliane Hefels beruflichen Alltag: „Ich werde ständig vor neue Herausforderungen gestellt und mit Situationen konfrontiert, die auch ich noch nie durchlebt habe.“ Lehrbuch dazu gibt es keines, sie ist Expertin darin, kreative Lösungen zu finden. „Täglich im Austausch mit der ganzen Welt zu sein, das finde ich inspirierend. Und gerade die Arbeit in einem internationalen Unternehmen, eröffnet mir  die Möglichkeit und damit auch die Verantwortung, Einfluss auf das Schicksal unserer Welt zu nehmen, etwa im Bereich Nachhaltigkeit.“

Richtige Zeit, richtiger Ort 
Für die Natur, die Authentizität und die Ursprünglichkeit hat die 48-Jährige ein feines Gespür. Aufgewachsen auf der ‚Letze‘ in Feldkirch, prägten Unbeschwertheit und Freiheit die Kindheit von Juliane Hefel; dazu gehörte das Spielen im Garten mit ihrer jüngeren Schwester oder auf der Straße mit den Kindern aus der Nachbarschaft,  genauso wie Kletteraktionen im „berühmten Kasibaum, dem Kastanienbaum in einem Feld ums Eck. Und ich erinnere mich gerne an alle sportlichen Aktivitäten, am liebsten in den Bergen, aber auch bei der rhythmischen Sportgymnastik.“ 
Außerdem war die Feldkircherin immer eine sehr gute Schülerin. Doch ihre viele Interessen, machten es ihr schwer, sich nach der Matura am Bundesgymnasium Feldkirch auf eine Sache zu beschränken. „Ich habe die Liebe zum Kreativen von meiner Mama mitbekommen, den Hang zum Wirtschaftlichen und Analytischen von meinem Papa. Mein Weg war mehr davon getrieben, Dinge auszuprobieren, Neues zu wagen, dabei zu lernen und neue Ufer zu erkunden. Und dann war da auch ein Quäntchen Glück dabei, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, wodurch sich ungeplante Möglichkeiten ergeben haben.“ 
Nach der Matura hat sie an der HTL in Imst eine Diplomausbildung für Möbelbau und Innenausbau gemacht, dann das Übersetzer- und Dolmetscherstudium für Englisch und Spanisch in der Fächerkombination mit BWL an der Universität in Wien absolviert; später folgte eine Sommelier-Ausbildung. 
Als Übersetzerin in einer Patentanwaltskanzlei in Wien wurde der jungen Frau schnell klar, dass, „das nicht der Job für den Rest meines Lebens sein wird“. Eine Station bei DO&CO folgte, bei der sie sich rasch beruflichen Erfolg erarbeitete. 
Darauf folgten 16 Jahre bei Henkel: „Bei diesem multinationalen Konzern standen mir Türen und Tore offen, mich in alle nur denkbaren Richtungen zu entwickeln.“ Hier bekam Juliane Hefel als Nachwuchsmanagerin auch erste Geschäftsverantwortung.
Unterschiedliche Positionen bei Henkel folgten. Zuerst arbeitete sie in Düsseldorf, dann ging es für drei Jahre nach Schanghai und schließlich kam mit der Beförderung im Jahr 2017 auch der Umzug in die USA; genauer nach Detroit, wo sie auch heute noch lebt. „Als ich dort ankam, habe ich Downtown direkt am Detroit River gewohnt. Ich habe die Zeit dort sehr genossen, weil es sehr spannend war, mitzuerleben, wie sich die einst bankrotte Stadt neu erfindet und wie sie wiederbelebt wird.“ Mittlerweile wohnt die zielstrebige Wahlamerikanerin in Birmingham, einer Stadt etwa 30 Minuten von der Innenstadt Detroits entfernt.

Eine von drei 
Vor zwei Jahren kam der Wunsch nach einer Veränderung auf: „Es war Zeit, mich wieder herauszufordern und alles, was ich gelernt habe, in einem neuen Kontext einbringen zu können.“ Dieses Wissen und ihre Erfahrungen bringt sie nun beim Industriekonzern PPG ein; dort engagiert sie sich auch für Diversität und die Gleichstellung von Frauen und Männern. „Meine Mama war eine große Inspiration für mich, da sie sich trotz Gegenwind durchgesetzt hat, nach zwei Kindern wieder arbeiten zu gehen und ihr eigenes Geld zu verdienen; das alles zu einer Zeit, als das noch nicht üblich war.“ Das habe ihr das Selbstbewusstsein gegeben, nicht zu zweifeln, auch wenn sie in von Männern dominierten Bereichen arbeitet, „sondern mit Leistung zu beweisen, dass ich einen Platz am Tisch verdient habe. Ich hoffe, dass mein Werdegang Inspiration für andere weibliche Talente ist, ihrer Passion zu folgen und Möglichkeiten zu ergreifen, die sich auftun, denn diverse Teams erzielen bessere Ergebnisse.“
Aufgrund der Geschichte sei das Thema Diversität in den USA präsenter; auch durch andere Mutterschutz-Regeln sei es dort üblich, dass Frauen mit Kindern schon kurz nach der Geburt zurück in den Job kommen, und dass Frauen auch in leitenden Positionen sind. „Nichtsdestotrotz sind wir bei der Gleichstellung noch nicht angekommen: Ich bin eine von nur drei Frauen bei PPG, die ein globales Geschäft leitet.“

Lebenslauf

Juliane Hefel, *3.10.1975, ist mit ihrer Familie in Feldkirch aufgewachsen. Nach der Matura hat sie die HTL Imst für eine Diplomausbildung für Möbelbau und Innenausbau besucht. Danach absolvierte sie an der Universität Wien ein Übersetzer- und Dolmetscherstudium für Englisch und Spanisch kombiniert mit BWL sowie eine Sommelier-Ausbildung. Bei DO&CO erfolgte der berufliche Einstieg, eine 16 -jährige Berufslaufbahn bei Henkel folgte. Seit 2022 ist sie Teil von PPG, seit einem Jahr als „Vice President Global Specialty Coatings & Materials“ tätig. Mit ihrem Mann Jean-Marc Vico lebt die sportbegeisterte und kunst- und kultur­affine Feldkircherin in Detroit. 

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